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Das grosse Muminbuch

Das grosse Muminbuch

Titel: Das grosse Muminbuch
Autoren: Tove Jansson
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das Erbarmungslose», fuhr Filifjonka hastig fort. «Man kann es nicht anflehen, nicht vernünftig reden mit ihm, man kann es nicht begreifen und niemals fragen, das, was hinter einem schwarzen Viereck kommt, hinter der Scheibe, weit weg, auf dem Weg, draußen auf dem Meer, und es wächst und wächst und ist nicht zu sehen, bis es zu spät ist! Haben Sie das nicht gespürt, Gafsa? Bitte, sagen Sie, dass Sie es getan haben, einmal, meine Liebe, bitte, sagen Sie es doch!»
    Gafsa war im Gesicht ganz rot geworden, sie drehte und spielte ratlos mit dem Zuckerschälchen und wünschte, dass sie nie gekommen wäre.
    «Jetzt, im Spätsommer, kann es zuweilen heftig heraufziehen», sagte sie schließlich vorsichtig.
    Filifjonka hüllte sich in enttäuschtes Schweigen. Die Gafsa wartete ein paar Augenblicke, dann sagte sie, leicht gereizt:
    «Ich hatte am Freitag meine große Wäsche zum Trocknen aufgehängt, und ob sie's mir glauben oder nicht, nach meinem besten Kissenbezug musste ich bis zur Gartenpforte laufen, so sehr stürmte es. Welches Waschmittel benutzen Sie, Frau Filifjonk?»
    «Darauf kann ich mich nicht besinnen», antwortete Filifjonka, die plötzlich furchtbar müde wurde, weil die Gafsa sich nicht die Mühe geben konnte, sie zu verstehen. - «Möchten Sie mehr Tee?»
    «Nein, danke», sagte die Gafsa. «Ein netter kleiner Fünfuhrtee, aber ich glaube, nun muss ich allmählich aufbrechen.»
    «Ja, ja», sagte die Filifjonka, «ich verstehe.»
    Draußen über dem Meer war es dunkel geworden, die See murmelte an den Ufern. Es war zu früh, um die Lampe anzustecken - man möchte ja nicht furchtsam wirken - anderseits machte das Zwielicht es etwas ungemütlich...
    Die dünne Nase der Gafsa war faltiger als gewöhnlich, und man hätte glauben können, dass sie sich nicht wohl fühlte. Doch Filifjonka half ihr nicht aufzubrechen, sie saß still und zerbröckelte ihr Zuckergebäck.
    Die Sache ist wirklich peinlich, dachte Gafsa und schob unmerklich ihre Handtasche von der Anrichte unter den Arm. Der Südwestwind draußen nahm zu.
    «Sie reden von », sagte die Filifjonka plötzlich, «Sturm, der mit der Wäsche lossaust. Ich, meine liebe Gafsa, ich aber rede von Zyk­lonen, Typhonen, Trombonen, Wirbelwinden, Taifunen und Sand­stürmen... Flutwellen, die das Haus wegspülen... Aber vor allen Dingen spreche ich von mir selbst, auch wenn ich weiß, dass das nicht besonders fein ist. Ich weiß, dass die Sache schiefgeht. Ich denke immerzu daran. Sogar wenn ich meinen Flickenteppich wasche. Können Sie das ver­stehen? Spüren Sie das nicht auch?»

    «Essig! Das pflegt zu helfen», sagte die Gafsa in ihre Teetasse starrend. «Flickenteppiche verlaufen selten, wenn man nur ein wenig Essig ins Spülwasser gießt.»
    Jetzt wurde die Filifjonka böse. Das war sehr ungewöhnlich für sie. Plötzlich wusste sie: jetzt musste sie die Gafsa irgendwie herausfordern. Sie nahm das erste beste, was ihr einfiel zum Anlass und rief, indem sie auf das abscheuliche kleine Gestrüpp in der Blumenvase zeigte: «Gucken Sie sich's an! Es ist nämlich hübsch! Es passt genau zum Service!»
    Und die Gafsa wurde ebenfalls böse, hatte die ganze Sache satt, sprang auf und sagte: «Keinesfalls! Es ist zu groß, zu dornig, viel zu grell und aufreizend! So etwas gehört sich einfach nicht, wenn man Besuch hat!»
    Daraufhin verabschiedeten sich die beiden Damen voneinander, und die Filifjonka Schloss ihre Tür und ging zurück ins Wohnzimmer. Sie war traurig und enttäuscht, und sie hatte das Gefühl, dass der Nachmittag misslungen war. Der kleine Strauch stand in der Mitte des Teetisch­chens, grau und dornig, übersät mit dunkelroten Blüten. Plötzlich kam die Filifjonka auf den Gedanken, nicht der Blumenbusch sei es, der so schlecht zu dem Service passte, sondern es war das Service, das einfach mit gar keiner Sache zusammenpasste
    Sie stellte die Vase hinüber auf das Fensterbrett.
    Das ganze Meer war verändert. Es war grau, die Wellen hatten weiße Zähne bekommen und schnappten wütend nach dem Ufer. Der Him­mel war rötlich und schwer.
    Filifjonka blieb am Fenster stehen, lange, und sie hörte, wie der Wind zunahm.
    Schließlich läutete das Telefon.
    «Ist dort Frau Filifjonk?» fragte Gafsas Stimme vorsichtig.
    «Natürlich bin ich es», antwortete die Filifjonka. «Hier wohnt kein anderer. Sind Sie ordentlich nach Hause gekommen?»
    «Aber gewiss, selbstverständlich», sagte die Gafsa. «Jetzt scheint es wieder zu
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