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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst
Autoren: Anselm Grün
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handzuhaben. Wir sind offensichtlich Opfer unserer Sucht geworden, alles immer »besser«, und das heißt komplexer und
     komplizierter, machen zu müssen. Manchmal besticht gerade die Einfachheit der Dinge. Was für die Uhr gilt, gilt nicht nur für die vielen Dinge, die heute
     nur noch durch eine komplizierte Elektronik funktionieren, sondern auch für unser Denken. Auch Denken braucht Einfachheit, damit es die Dinge so erfasst,
     wie sie sind. Einfachheit ist etwas, was nicht ablenkt, sondern uns zum Wesentlichen führt.
Barfuß durchs Leben
    J esus hat jene selig gepriesen, die »arm sind im Geist«. Arm im Geist ist der, der sich an nichts
     festklammert, der innerlich offen und frei ist. Er kann die Dinge genießen. Aber er ist nicht abhängig von dem, was er besitzt. Die Griechen haben hierfür
     das Wort »makarios« (glücklich), ein Wort, dessen Gebrauch allerdings den Göttern vorbehalten ist. Allein die Götter, die in sich frei sind, die nicht
     abhängig sind vom Urteil anderer, sind wirklich glücklich. Was Jesus uns hier zugesprochen hat, davon weiß auch die Weisheit der Welt. Ein Hindu-Philosoph
     hat es so formuliert: »Aller Reichtum gehört dem zufriedenen Geist. Ist nicht jenem die ganze Erde mit Leder bedeckt, dessen Füße in Schuhen stecken?« Wer
     barfuß über eine Wiese geht, der spürt mit seinen Füßen die Vielfalt der Natur, der ist in Berührung mit allem, was ist. Das Leder der Schuhe trennt uns
     von der Welt. Je mehr wir anhaben, desto größer ist die Schicht, die sich zwischen uns und die Erde legt. Was wir haben, das trennt uns vom Sein. Das
     Armsein und Leersein, das Offensein und Freisein bringt uns in Berührung mit der Welt. Nicht was wir haben, sondern was wir berühren, das gehört uns
     wirklich.
Auch bügeln hilft
    D ie amerikanische Schauspielerin Meryl Streep hat ihren eigenen Weg gefunden, sich frei zu machen von
     Größenphantasien: »Man kann nicht arrogant werden, wenn man seine Sachen selber bügelt.« »Arrogant« kommt von »ad-rogare« und meint: etwas Fremdes für
     sich beanspruchen, sich etwas anmaßen. Der arrogante Mensch beansprucht für sich einen Wert, den er nicht besitzt. Er weigert sich, sein Maß
     anzunehmen. Er mutet sich etwas zu, was sein Maß übersteigt. Er verbraucht viel Energie, um an seiner Fassade zu arbeiten. Seine Sachen selber zu bügeln,
     so meint Meryl Streep, bewahrt uns vor der Gefahr, uns maßlos zu überschätzen. Bei vielen meditativen Retreats werden die Menschen auch in die
     Alltagsarbeiten miteinbezogen. Sie helfen in der Küche. Sie reinigen die Toilette. Sie arbeiten im Garten. Dahinter steckt eine wichtige
     Einsicht. Meditieren bedeuten nicht »abzuheben«. Auch und gerade ein spirituelles Leben sollte »geerdet« sein. Wer sein Zimmer selber putzt, wer seine
     alltäglichen Sachen selber erledigt, der spürt sein Menschsein und seine Begrenztheit. Dies verweist uns auf unser Maß.
Raum zum Atmen
    V iele meinen, sie müssten immer mehr haben. Die Gier nach Reichtum kennen wir alle. Letztlich ist es die
     Sehnsucht, endlich einmal genug zu haben, sich das leisten zu können, was wir möchten. Doch oft merken wir, wie besessen Reichtum macht. Er macht nicht
     glücklich, sondern süchtig: Wir müssen immer noch mehr haben. Henry D. Thoreau zeigt einen Weg zu einem Reichtum anderer Art auf: »Der Mensch ist um so
     reicher, je mehr Dinge er liegen lassen kann.« Wer allzu viel tun will, der tut möglicherweise gerade das nicht, was wichtig wäre. Und er kommt nicht zu
     sich. Wer allzu viel Ballast aufhäuft, der hat bald keinen Raum und keine Luft mehr um sich herum. Wer alles, was er sieht, besitzen muss, der belastet
     sich selbst damit. Sein Haus wird immer voller mit unnützen Dingen, so dass er irgendwann selbst nicht mehr darin zu wohnen vermag. Denn er hat keinen
     Raum mehr zum Atmen. Die Dinge zu lassen, die ich sehe, mich darüber zu freuen, ohne sie haben zu wollen, das ist der Weg zu innerem Reichtum. Wenn ich
     alles haben muss, lebe ich in der ständigen Angst, es könne mir genommen werden. Die Bilder von den Dingen, die ich in mir trage, kann mir niemand
     nehmen.
Die höchste Kunst
    D ie großen Weisen aller Zeiten, aber auch ganz normale Menschen mit ihrer Alltagserfahrung haben immer
     wieder zum einfachen Leben aufgerufen. Mary Jean Irion hat dieses einfache Leben im Blick, wenn sie schreibt: »Ganz normaler Tag, lass mich wahrnehmen,
     welch ein Schatz du für mich bist. Lass nicht zu, dass ich
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