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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst
Autoren: Anselm Grün
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dich verstreichen lasse auf der Suche nach einem perfekten und seltenen Morgen.« Wenn ich
     diesen Augenblick wahrnehme, dann liegt darin die Fülle. Wenn ich aber einen besonderen Sonnenaufgang erwarte oder ein besonders schönes Wetter oder eine
     wunderbare Landschaft, dann werde ich blind für die Schönheit des Augenblicks. Einfach den Augenblick zu leben ist die höchste Kunst des Lebens. Sie führt
     zu wahrem Leben, zu Dankbarkeit in jedem Augenblick.
Genieße das Nichtstun
    D er vietnamesische Zen-Lehrer Thich Nhat Hanh zitiert einmal die Erfahrung, dass wir oft zueinander
     sagen: »Sitz nicht so herum, tu was.« Eltern und Lehrer verwenden einen solchen Satz gerne, aber auch Vorgesetzte. Eine Frau, die in ihrer Kindheit auf
     dem Bauernhof aufgewachsen ist, erzählte mir: Jedes Mal, wenn sie spielen wollte, sagte ihr die Mutter: »Es gibt soviel zu tun. Tu das oder jenes.« Sie
     konnte es nicht aushalten, dass das Mädchen einfach nur da saß und den Augenblick genoss. Thich Nhat Hanh gibt den Rat, diesen viel gebrauchten Satz
     einfach umzudrehen: »Tu nicht einfach etwas, setz dich hin, sei da. Sei präsent. Genieße es, ganz lebendig zu sein, im Hier und Jetzt.« Wer als Kind den
     ersten Satz immer wieder gehört und ihn sein Leben lang verinnerlicht hat, tut sich schwer, sich zu erlauben, einfach da zu sein, nur im Augenblick zu
     sein, ohne etwas leisten und ohne etwas vorweisen zu müssen.
Betrachte die Sterne
    G erne fragen wir bedeutende Menschen nach ihrem »Vermächtnis«, danach, was sie als Kern ihrer Einsichten
     an andere Menschen weitergeben möchten. Der russische Religionsphilosoph Pawel Florenski, ein genialer Gelehrter auf vielen Gebieten, hat das einfache
     Leben als Vermächtnis in sein Testament für seine Kinder aufgeschrieben: »Schon lange wollte ich dieses Euch aufschreiben: Betrachtet so oft Ihr könnt die
     Sterne. Wenn Euch schwer ums Herz ist, betrachtet die Sterne oder bei Tage den blauen Himmel. Wenn Ihr betrübt seid, wenn man Euch beleidigt, wenn Euch
     etwas nicht gelingt, wenn ein Sturm in Eurer Seele tobt, tretet hinaus ins Freie und bleibt allein mit dem Himmel. Dann wird Eure Seele zur Ruhe kommen.«
     Der Vater wollte mit diesen einfachen Worten seinen Kindern ein Geschenk machen: Wenn sie die Kunst üben, einfach da zu sein und einfach den Himmel und
     die Sterne zu betrachten, dann werden sie ihr Leben in einer guten Weise bewältigen. Ein Testament der Lebenskunst.
Freudenlisten
    D en Sorgen um die Zukunft das Gegenwärtigsein entgegenzusetzen und die Achtsamkeit auf das zu richten,
     was um uns herum ist, das ist die Kunst des einfachen Lebens. Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa notiert in seinem »Buch der Unruhe«, im Eintrag
     vom 21. Juni 1934, was er sich wünscht:
    »Weiter nichts ...
    Ein wenig Sonne,
    ein kleiner Luftzug,
    ein paar Bäume, die die Entfernung einrahmen,
    der Wunsch glücklich zu sein ...«
    Hier sind die Sorgen weit weg. Hier wird nichts vermisst. Leben ist jetzt.
    Freude kann man intensivieren, indem man sie sich bewusst macht. Bert Brecht hat eine Liste der einfachen Freuden aufgestellt. Um Freude zu erleben,
     bedarf es nicht vieler und teurer Dinge. Für Brecht genügt:
    »Duschen, Schwimmen,
    Alte Musik.
    Bequeme Schuhe.
    Begreifen.
    Neue Musik.
    Schreiben, Pflanzen.
    Reisen.
    Singen.
    Freundlich sein.«
    Es sind die einfachen Dinge, die das Herz erfreuen. Das kann sich jeder leisten. Wir brauchen es nur zu tun. Nur
     wahrzunehmen.
    Bei Johann Wolfgang von Goethe sieht die ein fache Freudenliste etwas anders aus. Und doch steht hinter seiner Liste offensichtlich eine ähnliche
     Erfahrung, die auch Brecht mit dem einfachen Leben gemacht hat:
    »Man sollte alle Tage wenigstens
    Ein kleines Lied hören,
    ein gutes Gedicht lesen,
    ein treffliches Gemälde sehen und,
    wenn es möglich zu machen wäre,
    einige vernünftige Worte sprechen.«
    Die ersten drei Tätigkeiten sind eigentlich passiv, keine Aktivität im üblichen Sinn. Sie beziehen sich auf das Aufnehmen: Wir
     empfangen Freude, wenn wir ein Lied hören, ein Gedicht lesen und ein Gemälde anschauen. Das Lied dringt ins Herz, das Gedicht berührt uns und das Bild
     prägt sich in uns ein. Das Vierte müssen wir selbst tun: vernünftige Worte sprechen, Worte, die etwas klären, die Leben wecken, die ermutigen und
     erfreuen.
Selbstvergessen – reines Sein
    D as Glück stellt sich nicht einfach ein. Wir müssen es auch suchen. Wir können es nicht festhalten. Aber
     wenn
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