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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst
Autoren: Anselm Grün
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es je zu erreichen. Der einzige Weg zum Einklang mit mir selbst ist der Verzicht auf all das,
     was nicht meinem wahren Wesen entspricht. Ich soll mir keine Sorgen machen um das, was mir nicht entspricht. Es genügt, ganz der zu sein, der ich bin.
Versöhn dich mit dir
    D er alltägliche Weg, um mit sich in Einklang zu kommen, ist: sich auszusöhnen mit sich selbst. Dieser Weg
     scheint nicht einfach zu sein. Aber wir müssen ihn immer wieder von Neuem gehen. Wir sind nie für immer mit uns versöhnt. Friedrich Nietzsche weiß um die
     Herausforderung, sich immer wieder neu mit sich zu versöhnen: »Zehn Mal musst du dich wieder mit dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitternis, und
     schlecht schläft der Unversöhnte.« Ich muss mich immer wieder überwinden, mich mit mir zu versöhnen. Diese Überwindung stößt mir oft bitter auf. Aber es
     gibt keinen Weg, der daran vorbeiführt. Denn – so meint Nietzsche – wenn ich mich nicht versöhne, werde ich auch schlecht schlafen. All das Unversöhnte
     wird in der Nacht im Traum in mir hochkommen und mir eine unruhige Nacht bescheren.
Eines Tages
    W ir alle sehnen uns danach, mit uns in Einklang zu kommen. Doch wir haben so viele Zweifel und
     Fragen. Was stimmt für mich? Wann bin ich im Einklang? Was muss ich annehmen und was bekämpfen? Rainer M. Rilke hat in diese innere Spannung zwischen
     Sehnsucht und Zweifel sein Gedicht geschrieben:
    »Wenn man die Fragen lebt,
    lebt man vielleicht allmählich,
    ohne es zu merken,
    eines fremden Tages
    in die Antwort hinein.«
    Es geht nicht darum, die Fragen zu beantworten. Oft finden wir keine Antwort. Aber wenn wir die Frage leben, dann finden wir durch das Leben oft die
     Antwort. Auf einmal hat das Leben selbst die Antwort gegeben. Im Leben der Fragen formt sich die Antwort.
Einfach
leben
    Ruh in dir und
kompliziere nichts

Klar und echt
    W ir sagen es einem anderen so leicht: »Lebe einfach!« Schon das Wort »einfach« hat eine vielfache
     Bedeutung. Es kann meinen, einfach so dahinzuleben, ohne etwas Besonderes aus dem Leben zu machen oder ohne sich etwas darauf einzubilden. Es ist das
     reine Dasein. Ich lebe einfach, ohne mir große Gedanken darüber zu machen, wie ich es verstehen soll. Einfachheit bedeutet in der Tradition auch
     Anspruchslosigkeit. Sie geht zusammen mit der zeichenhaften Solidarität mit den Armen. Und Einfachheit kann Echtheit und Authentizität bedeuten. Wenn wir
     von einem sagen, dass er einfach lebe, so meinen wir seine Klarheit, seine Eindeutigkeit. Er muss nichts aus sich machen. Er muss sich nicht besonders
     darstellen. Er ist einfach da. Er ist einfach. Er ist, wer er ist. Und so lebt er auch.
Innere Freiheit
    D ie Sehnsucht nach dem einfachen Leben ist alt. Der stoische Philosoph Poseidonios rühmt die Römer, dass
     diese wegen »der Einfachheit ihrer Lebensweise, ihrer Gerechtigkeit und Gottesfürchtigkeit« zur Weltherrschaft berufen seien. Die Einfachheit ihrer
     Lebensweise gab ihnen offensichtlich die Kraft, die damalige Welt zu beherrschen und sie zu befrieden. Als die Römer dann wegen ihres zu großen Reichtums
     dekadent geworden waren, zerfiel das Reich. Was der stoische Philosoph Poseidonios vor zweitausend Jahren sagte, das betonen heute Soziologen. Sie meinen,
     die Eliten seien immer asketische Eliten gewesen. Ein Zeichen der Elite ist, dass sie ein einfaches Leben führt. Sie haben Ziele, die über sie
     hinausgehen. Daher brauchen sie die innere Freiheit, die ihnen das einfache Leben schenkt, um sich für ihre Ziele einzusetzen.
In Übereinstimmung
    I n der stoischen Philosophie war die Einfachheit ein zentraler Begriff. Vor allem Kaiser Mark Aurel, der
     Philosoph auf dem Kaiserthron, liebt diesen Begriff. Er gebraucht das griechische Wort »haplotes«, das auch die Bibel häufig verwendet. Er meint, im
     wahrhaft guten Menschen müsse »alles schlicht und voll Wohlwollen« sein. Einmal ruft er sich selbst zu: »Lass keine Unruhe in dir aufkommen, werde
     einfach!« Einfach sein heißt für Mark Aurel, ohne Nebenabsichten seine Aufgabe zu erfüllen, sich von den Leidenschaften nicht bestimmen zu lassen und frei
     von Illusionen zu sein, die man sich häufig über das Leben macht. Der einfache Mann ist arglos. Er ist frei von Misstrauen gegenüber anderen. Auch der
     Philosoph soll keine komplizierten Sätze formulieren. Zeichen eines echten Philosophen ist vielmehr die Einfachheit: »Einfachheit und Bescheidenheit ist
     die Aufgabe der Philosophie.«
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