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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
Autoren: Henry Slesar
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rein.«
    »Weiber!« sagte Dave seufzend. »Tja, dann werde ich wohl abhauen. Ich habe eine neue Idee für die ›Sugar-Baby‹- Packungen, die ich mit Harlow Ross besprechen möchte. Ein kleines U-Boot aus Plastik, genannt ›Nautilus‹. Wenn man es mit Backpulver füllt, taucht es auf und unter.« »Genial!« sagte Janey. »Ich habe auch eine Idee. Wie wäre es mit einem kleinen Fläschchen voll Salzsäure? ›Sei das erste Kind in deinem Block, das Mamis Gesicht entstellte«:
    »Sehr lustig.«
    »Ach, solche Ideen habe ich massenhaft. Wie wär’s mit einem Lernspielzeug? Einer Miniaturschnapsflasche. ›Die gleiche Flasche, die Vati unter seinem Kissen liegen hat‹.«
    »Wiedersehen«, sagte Dave. »Wie ich sehe, scheinst du keinerlei Lust auf ein vernünftiges Gespräch zu haben. Bis bald, Charles Addams.«
    Dave ging in sein Büro. Auf dem Schreibtisch der Sekretärin lag ein Stoß ungeöffneter Post, aber er rührte sie nicht an. Louise war, was ihre Arbeit betraf, sehr empfindlich, und wenn Dave ihr auch nur das kleinste ihrer Privilegien wegnahm, waren ihre Augen für den Rest des Tages gerötet und feucht.
    Zwanzig vor zehn kam sie an und war tief bestürzt, als sie Dave seinen Frühstückskaffee trinken sah.
    »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung, Mr. Robbins!« sagte sie. Ihr unscheinbares Gesicht verzog sich bereits zu einer weinerlichen Grimasse. »Ich konnte heute früh ganz einfach nicht loskommen wegen meiner Mutter. Sie leidet an Arthritis und ist fast gelähmt, und ich mußte heute das Frühstück machen –«
    »Schon gut«, sagte Dave verlegen. »Sehen Sie doch bitte nach, ob Mr. Ross da ist. Wenn ja, dann fragen Sie ihn, ob ich vorbeikommen darf.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Louise, zitternd vor Wichtigkeit.
    Mit gerunzelter Stirn sah Dave ihr nach, wie sie zur Tür hinausflatterte.
    Ein paar Minuten später kehrte sie triumphierend zurück.
    »Er ist da!« verkündete sie.
    Harlow Ross sog an seiner Pfeife, als Dave zu ihm ins Büro kam. Das war in keiner Weise ungewöhnlich. Ross lutschte immerzu an einem Pfeifenstiel. Er hatte ein halbes Dutzend Bruye- repfeifen in seinem Schreibtisch liegen und so viel grobgeschnittenen Tabak, daß er für ein Palaver sämtlicher Indianerstämme ausgereicht hätte.
    Ross war ein schmächtiger Mann, der in seinem gutgeschnittenen, distinguierten Flanellanzug größer aussah, als er eigentlich war. Sein Haar war kurz gestutzt und an den Schläfen grau meliert. Das verlieh seinem jugendlichen, hübschen Gesicht mit den etwas hervorstehenden Augen und dicken Lidern den zusätzlichen Reiz der Reife. Er sah aus wie ein romantischer Hochschulprofessor, bei dessen Anblick die Studentinnen in den hintersten Bänken kichernd die Köpfe zusammenstecken.
    Er leitete die Propaganda für die diversen ›Sugar-Baby‹- Flocken und war bei Hagerty & Tait seit der Stunde angestellt, da die Agentur ihre Pforten geöffnet hatte.
    »Morgen!« sagte er liebenswürdig und klopfte mit der Pfeife geräuschvoll gegen den Rand seiner Aschenschale. »Ich habe gehört, Dave, daß Sie sich übers Wochenende in meiner Waldecke aufgehalten haben.«
    »Ja, hab Bob Bernstein besucht. Er hat wirklich ein sehr hübsches Häuschen. Ich aber bin ein eingefleischter Großstädter.«
    »Sie werden sich’s auch noch überlegen.« Ross lachte in sich hinein. »Das ist der Zug der Zeit, Dave. Außerdem wohnt bereits die halbe Firma draußen in Sword’s Point: Hagerty, Gor- don, ich, sogar Kermit Burke. Wir könnten dort eine Filiale eröffnen.«
    »Und dann jeden Tag von der Stadt aus hinauspendeln? Das wäre auf jeden Fall eine Abwechslung. Wer war denn der Witzbold, der den Ort getauft hat?«
    »Keine Ahnung. Aber es war bestimmt ein Reklamefritze.«
    Ross lachte, doch es klang nicht recht befriedigend. In allem, was er tat, lag eine absichtliche Herzlichkeit. Dave kam er immer als der von Berufs wegen ›nette Kerl‹ vor. Bevor Dave auf
    dem Schauplatz erschien, war Ross, ein Witwer, regelmäßig mit Janey Hagerty ausgegangen, und es ist schwer, die ehemalige Flamme der eigenen Freundin zu mögen, auch wenn die Asche augenscheinlich erkaltet ist.
    »Hören Sie, Harlow«, sagte Dave, »ich habe über Ihre Geschenkbeilagen nachgedacht. Wie wäre es mit einem MiniaturU-Boot aus Plastik, das ›Nautilus‹ heißt? Sie kennen doch die Dinger, die ich meine, man betreibt sie mit Backpulver.«
    »War schon mal da«, erwiderte Ross. »Ich glaube, Kellogg hat es vor ein paar Jahren lanciert.
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