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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
Autoren: Henry Slesar
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anspruchsvollen Kirche zur Zierde gereicht. War er klug? Noch nie hatte jemand diese Frage gestellt.
    »Wie lange ist es jetzt schon her?« fragte Hagerty. »Zwei Jahre, Dave?«
    »Achtzehn Monate. Ich habe im Juli angefangen.«
    »Dann kennen Sie also den Betrieb schon recht gut, ja?«
    »Ich weiß nicht, ob ich Sie recht verstehe.«
    »Aber lieber Mann, Sie sind doch nicht auf den Kopf gefallen! Sie wissen, daß unsere Aufträge zu mehr als fünfundsiebzig Prozent von einem einzigen Kunden stammen. Freilich ist es ein guter Kunde, aber es gibt Leute, die eine solche Existenz für recht riskant halten.«
    Dave räusperte sich. »Ja.«
    »Sie brauchen nichts dazu zu sagen. Ich bin noch immer der Meinung, daß Burke der zuverlässigste Kunde in der ganzen Branche ist. So eine Werbekampagne hat man wohl kaum je erlebt. Es ist noch ein wenig früh, um die Ergebnisse zu beurteilen, aber ich habe vom Marktforschungsinstitut Nielsen einen internen Wink bekommen, daß es an den Absatzziffern schon zu merken ist. Lassen Sie sich also von niemandem einreden, daß Reklame sich nicht lohne.«
    Dave wunderte sich über den akademischen Charakter des Gesprächs. Er hob die Brauen und wartete darauf, daß der Generaldirektor seine Ausführungen fortsetze.
    »Es handelt sich also nicht um die technische Seite des Betriebs«, sagte Hagerty. »Das Technische und das Künstlerische liegt in allerbesten Händen. Wir sind stolz auf Joe Spiegel.«
    »Ein tüchtiger Mann«, sagte Dave.
    »Es gibt keinen tüchtigeren. Ein lieber Mensch, ein großartiger Texter. Was Janey betrifft –« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »Sie wissen ja, wie ich zu ihr stehe. Sie ist für mich mehr eine Tochter als eine Nichte, Dave, aber ich würde sie auf der Stelle entlassen, wenn ich annehmen müßte, daß sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen ist. Diese Burke-Layouts sind aber ausgezeichnet, nicht wahr?«
    »Ohne Zweifel, Mr. Hagerty.«
    Der Chef lächelte, aber seinem Lächeln war nichts zu entnehmen. »Sie treffen Janey recht oft, ja?«
    »Nun ja.«
    »Ein praktisch denkendes Geschöpf. Und auch gescheit. Das habe ich nie begriffen. Ihre Mutter war eine liebe Person, aber kein Kirchenlicht. Ihr Vater! Na ja, Dave, er hat eher mir geäh- nelt. Bier und Brezeln.« Er lachte gemütlich.
    Dave klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Hagerty hatte offensichtlich etwas auf dem Herzen, und zwar nicht Janeys persönliche Qualitäten.
    »Ich wollte es Ihnen bloß sagen, Dave. Sie sind bei uns sehr gut angeschrieben. Sie haben viel geleistet. Jetzt aber stehen wir vor einem neuen Problem.«
    »Nämlich?«
    Hagerty öffnete eine kostbare Schatulle, die auf dem Schreibtisch stand, wollte eine Zigarre herausnehmen, überlegte es sich aber. »Es handelt sich um Gordon«, sagte er seufzend. »Gordon hat gestern nacht einen Herzanfall erlitten, einen recht bösen Anfall. Wir haben den besten Herzspezialisten von ganz New York zu ihm geschickt, aber soweit ich unterrichtet bin, sieht es nicht allzu rosig aus.«
    Dave schluckte. »Meinen Sie, er wird.?«
    »Sterben? Das habe ich nicht gesagt. Millionen Menschen erleiden Herzanfälle und schreiben nachher ein Buch darüber. Aber dieser Fall war sehr ernst, und es sieht danach aus, als würde Gordon ziemlich lange arbeitsunfähig sein.«
    »Ach, das ist aber ärgerlich.«
    »Ja, sehr ärgerlich«, sagte Hagerty finster. »Der brave Gordon tut mir ehrlich leid. Wissen Sie, er ist doch erst zweiundfünfzig. Aber man darf sich eben nicht so viel zumuten, ohne daß einem die Rechnung präsentiert wird.«
    Dave wartete auf die entscheidende Frage. Als Hagerty schwieg, sagte er: »Was geschieht inzwischen mit Burke?«
    »Ah ja«, sagte Hagerty. »Gut, daß Sie es selber erwähnen.
    Eigentlich möchte ich Sie bitten, Dave, die Sache zu übernehmen.«
    »Ich?«
    »Glauben Sie nicht, daß mir diese Entscheidung leicht gefallen ist, Dave. Vielleicht wissen Sie, daß seit der Gründung dieser Firma Harlow Ross als Nachfolger Gordons ausersehen war. Harlow ist tüchtig, sehr tüchtig. Und ein ungeheuer netter Mensch.«
    »Ja«, sagte Dave mit erstickter Stimme.
    »Aber ehrlich gesagt, ein bißchen zu unbedeutend. Ein bißchen zu naiv für Kermit Burke. Sie kennen ja Burke.«
    »Leider nein. Ich bin ihm nie begegnet.«
    »Ein sonderbarer Mensch. Ich glaube nicht, daß Harlow das nötige Verständnis für ihn aufbringen würde. Und gerade jetzt möchte ich ein solches Risiko nicht eingehen.«
    Fast unwillkürlich schüttelte Dave den
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