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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
Autoren: Henry Slesar
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Kopf. »Nein, Mr. Hagerty. Ich glaube nicht –«
    »Was?«
    »Ich glaube nicht, daß ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Erst drei Jahre in der Branche. Das genügt nicht für einen Kunden wie Burke.«
    »Hören Sie zu, Dave! Früher oder später wäre Ihre große Chance gekommen. Bei Gelegenheit – Warum also nicht gleich? Es springen dabei für Sie weitere fünf Riesen heraus.«
    »Ich muß es mir überlegen.«
    »Selbstverständlich!« sagte der Generaldirektor in herzlichem Ton. »Überlegen Sie sich’s. Sie können es sogar heute abend mit Janey besprechen. Sie treffen sie doch heute abend?«
    »Ja.«
    »Janey denkt nüchtern und klar. Fragen Sie sie nach ihrer Meinung. Wenn Sie heute abend zu einem Entschluß gelangen, können Sie mich zu Hause anrufen. Janey kennt ja die Nummer.«
    »Gut, Mr. Hagerty.«
    Am selben Abend um zehn beugte Janey sich über das Sofa in Daves Wohnung und biß ihn ins Ohr. Er sagte: »Au!« und rächte sich. Dann stand er auf und ging ans Telefon. Er wählte die Nummer ihres Onkels und unterrichtete ihn von seinem Entschluß.
    »Wunderbar!« sagte Hagerty. »Sie werden es nicht bereuen, Dave.«
    Er irrte sich.

2
    Kinder schreien danach
    Der Pavillon hatte eine Fassade aus bläulich getöntem Glas und war von kunstvoll gestutztem Buschwerk umgeben. Er hätte anstelle eines Krankenhauses ebensogut ein Museum für moder­ne Kunst beherbergen können. Sogar die Schwestern waren an­scheinend nach ihrer dekorativen Wirkung ausgesucht worden, und Dave Robbins betrachtete sie mit Wohlgefallen. Als er den lautlos gleitenden Aufzug betrat, der ihn in das dritte Stockwerk zu dem leidenden Gordon Tait befördern sollte, schnüffelte er und stellte fest, daß der übliche Karbolgeruch durch Arpege und Chanel No. 5 ersetzt worden war.
    Als er die lackierte Tür des Zimmers 311 öffnete, wurde der Parfümduft noch stärker, hatte aber seine sichtbare Quelle. Grace Tait saß am Bett ihres Gatten, und wo Grace wandelte, folgte ihr unweigerlich eine Wolke süßen Pariser Dufts.
    Gordon Tait sah Dave und erhob schwächlich die Hand mit einer zugleich tapferen und herzlichen Geste. Dave fand den Anblick des so plötzlich erkrankten Direktors keineswegs er­schütternd. Er hatte erwartet, der Kontrast würde bedeutend bit­terer sein: dieser robuste, sportliche Mann mit der stolzen Kopf­haltung und dem Johnnie-Walker-Gang, durch einen heimtücki­schen Streich der Herzklappen aufs Krankenlager hingeworfen. Aber Gordon brachte es fertig, so kräftig und selbstsicher auszu­sehen wie nur je, und die Blässe des etwas faltigen Gesichtes
    hätte sich durch nichts Ernsthafteres als einen Wodkakater er­klären lassen. Lächelnd sagte er in seinem besten knurrigen Walter-Pidgeon-Ton: »Hejho, Athos! Wie steht die Schlacht?«
    »Unverändert.« Dave verbeugte sich höflich lächelnd vor Grace Tait. Sie antwortete mit einem kurzen Kopfnicken, aber in ihrem Blick lag eine nicht zu entziffernde Botschaft.
    »Illegitimus non carborundum«, sagte Gordon. »Lassen Sie sich nicht von den Lumpen unterkriegen. Sie kennen doch mei­ne Frau, Dave?«
    »Freilich.«
    »Was tut sich? Ich habe keine ordentliche Fachsimpelei mehr zu hören bekommen, seit man mir den Schlagbaum vor der Nase gefällt hat.«
    »Bitte, nicht«, sagte Grace streng. »Du weißt, Gordon, was Doktor Dishman sagt. Du darfst dir keine geschäftlichen Sorgen machen.«
    »Ach du lieber Gott, wer macht sich denn Sorgen? Solange Dave den Laden schmeißt, kann ich das als einen wohlverdien­ten Urlaub betrachten.«
    »Schönen Dank«, bemerkte Dave mit einem etwas schiefen Lächeln. »Ich tue mein Bestes, Gordon, aber ich mache mir kei­ne Hoffnung, Sie ersetzen zu können.«
    Gordon Tait lachte in sich hinein. »Nehmen Sie sich bloß in acht, Dave, wenn Kermit Burke rebellisch wird. Immer mit der Linken ins Gesicht. Und wenn er einmal ganz unausstehlich ist, dann wenden Sie sich an Papa. Ich besitze ein kleines Dossier über Mr. Burke, das uns sehr gelegen kommen wird.« Dave mu­sterte den Mann voller Bewunderung. Erst vor zwei Tagen hatte er das Sauerstoffzelt verlassen, das erforderlich gewesen war, um das Herz in Gang zu halten, und er schien bereits wieder seiner gewohnten Welt anzugehören, als ob gar nichts dazwi­schengekommen wäre. Er wirkte durchaus entspannt. Es war, als besitze er interne Informationen aus dem Hauptbuch der Schick­salsgöttin. Er schien der Zukunft mit einem Vertrauen entgegen­zusehen, um das Dave, allzu oft ein Opfer der
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