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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
Autoren: Henry Slesar
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Aber ich werde nachsehen, Dave.«
    »Okay – ich wollte es nur erwähnt haben.« Ross’ Miene zeugte nicht eben von großer Dankbarkeit, und Dave zuckte die Achseln. Dann erinnerte er sich an den Freitagslunch bei ›Le Val‹ und sagte: »Übrigens wollte ich Sie etwas fragen, Harlow. Habe ich Sie nicht vorigen Freitag mit dem Personalchef der BBD & O beisammen gesehen? Ich saß ein paar Tische entfernt und habe versucht, euch zu belauschen, aber es ging nicht.«
    »Ach so!« Ross wurde ein wenig rot. »Das war nur ein freundschaftlicher Plausch.«
    »Mir brauchen Sie nichts vorzumachen, Harlow. Sie dachten doch nicht etwa daran, hinüberzuwechseln, oder?«
    »Natürlich nicht. Aber wissen Sie, es kann nie schaden, wenn man mit den Leuten Kontakt hält. Man kann nie wissen, was hier passieren wird.«
    »Solange Burke mitmacht –«
    »Das meine ich eben. ›Burke-Foods‹ gibt sieben Millionen aus, und unser gesamter Auftragsbestand beträgt kaum zehn Millionen. Sie wissen, wie das ist, wenn man alles auf eine Karte setzt. Wird sie einem weggestochen, dann...»
    »Ich würde mir keine Sorgen machen. Kermit Burke ist ganz verrückt nach unserem neuen Werbefeldzug, und das reicht für weitere drei Jahre. So wie Gordon die Sache betreut – nun, ich würde mir keine Sorgen machen.«
    »Mhm.« Ross, die Pfeife im Mund, lächelte freundlich. »Es heißt, daß Gordon heute krank ist.«
    »Virusgeschichte«, erwiderte Dave.
    Zehn Minuten vor elf packte Dave seine Aktenmappe voll mit den Fakten und Ziffern, die sich auf das Marktgebiet von Cincinnati bezogen. Dann teilte er Louise mit, daß er den ganzen Vormittag außerhalb zu tun habe. Er müsse die Backwerkabteilung der ›Burke-Foods-Company‹ aufsuchen. Louise schien recht niedergeschmettert zu sein, fand sich jedoch wohl oder übel damit ab, daß die Pflicht ihn rief.
    Im Vestibül traf er Gordons Frau Grace, die auf den Aufzug wartete.
    Grace Tait war eine hagere Frau mit hohen Schultern, die sich mit Erfolg den Vorschriften von Vogue angepaßt hatte. Vor etlichen Jahren hatte sie sich entschlossen, Silber zu ihrer Farbe zu machen. Ihr kakaofarbenes Haar war silbrig gestreift, ihre Fingernägel und Augenlider glänzten silbern. An ihren Handgelenken klirrte silberner Schmuck, und ihre sorgfältig modulierte Stimme hatte einen silbrigen Klang. Alles in allem besaß sie den ästhetischen Reiz einer Stange frischgeprägter Silbermünzen, und nach dem wenigen zu schließen, was Dave über sie wußte, war der Vergleich mehr als treffend.
    »Guten Morgen, Mrs. Tait«, sagte Dave. »Wie ich höre, ist Gordon nicht auf dem Posten.«
    »Nein.« Es war nur ein Hauch. »Er – er hat mich ersucht, etwas ins Büro zu bringen.«
    »Sagen Sie Gordon, er soll gut auf sich aufpassen. Wir können ihn hier nicht entbehren.«
    Sie stiegen gemeinsam in den Aufzug ein, aber das Gespräch war zu Ende.
    Draußen vor dem Gebäude rief Dave ein Taxi heran und nannte dem Chauffeur die Adresse der Firma Burke, Abteilung für Backwerk, in Long Island City.
    Als sie den langen Backsteinblock erreichten, in dem die riesige Bäckerei und die Direktionsräume der Firma untergebracht waren, vollführte Daves Magen seinen üblichen Salto. Die Gräfin Szylenska, Generaldirektorin der Abteilung, bedeutete für Hagerty & Tait Aufträge im Wert von einer Million Dollar und war damit die zweitgrößte Kundin der Agentur. Noch wichtiger war, daß die Gräfin großen Einfluß auf Kermit Burke hatte, einen Einfluß, der das gesamte Siebenmillionenkonto betraf. Dave war nicht so ganz davon überzeugt, daß er der richtige Mann sei, diese Verantwortung zu tragen.
    Homer Hagerty aber war davon überzeugt. Er hatte sich gedacht, Daves schlanke, hohe Gestalt, seine etwas europäischen Gesichtszüge und sein Alter würden dem Geschmack der Gräfin entsprechen. Und solche persönliche Faktoren – Homer Hagerty war ein alter Praktikus – sind für die Sicherung eines Auftrages oft wichtiger als die beste Branchenkenntnis.
    Margaret Szylenska war eine waschechte Gräfin, eine blau- blütige Emigrantin, die mit ihrem adligen Gatten vor etwa zwanzig Jahren nach Amerika gekommen war. Der Graf hatte sich schon längst in die für ihn reservierte Himmelsecke begeben, vorher aber seiner Gemahlin einen soliden Platz in einem amerikanischen Geschäftsunternehmen gesichert. Ursprünglich war es seine Absicht gewesen, nur köstliches europäisches Backwerk zu erzeugen, wie Stollen, Strudel und delikate Küchlein, die
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