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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer
Autoren: Iny Lorentz
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halbwegs gutem Zustand. Ein paar Meilen außerhalb der Stadt schrumpfte sie jedoch zu einem kaum mehr erkennbaren Pfad, der immer größere Ansprüche an die Ausdauer der Zugochsen und die Stabilität der Karren stellte. Das Land selbst erschien Gisela und Walther zwar wild, aber fruchtbar. Es gab Wälder, an die noch nie ein Mensch die Axt gelegt hatte, weite Fluren, auf denen das Gras den Pferden beinahe bis zum Bauch reichte, und Bäche, über die nur selten einmal eine primitive Brücke führte. Beim ersten Gewässer fragten die Auswanderer sich noch ängstlich, wie die Wagen über den doch recht stattlichen Bach gelangen sollten, doch die einheimischen Fuhrknechte lenkten ihre Gespanne mit großer Selbstverständlichkeit an flachen Uferstellen durch das Wasser und überwanden auf diese Weise mehrere Flüsse.
    Mehr als das beunruhigte die Neuansiedler, dass sie, seit sie San Felipe de Guzmán verlassen hatten, weder auf ein Dorf noch auf ein Gehöft gestoßen waren und mitten in der Wildnis übernachten mussten. Es trug auch nur wenig zu ihrer Beruhigung bei, dass mehrere Knechte und Vaqueros zur Wache eingeteilt wurden. So friedlich, wie man es ihnen in der Stadt dargestellt hatte, schien es hier doch nicht zu sein.
    »Es ist wegen der Indios«, erklärte ihr Führer, als Walther ihn auf diese Tatsache ansprach. »Gelegentlich kommen sie auch in diese Gegend. Die meisten sind harmlos und zufrieden, wenn man ihnen eine Handvoll Mehl oder ein Stück Fleisch schenkt, andere hingegen …«
    Der Mann brach ab, um die Neuankömmlinge nicht zu verschrecken, denn wenn sie wegen einiger unbedachter Worte auf die Ansiedlung verzichteten, würde er in größte Schwierigkeiten kommen.
    Walther, Thierry und Thomé Laballe begriffen jedoch auch so, dass sie, wenn sie ihre neue Heimat erreicht hatten, nicht nur ihr Werkzeug, sondern auch die Waffen, die Gamuzana ihnen mitgegeben hatte, immer bei der Hand haben sollten. Dennoch war keiner von ihnen bereit, sich von Eingeborenen abhalten zu lassen, das großzügige Angebot des Alcalden anzunehmen. In den Vereinigten Statten hätten sie ebenfalls in Gegenden leben müssen, in denen die Ureinwohner noch eine Gefahr darstellten.
    Nach drei Tagen erreichten sie eine Ansiedlung. Sie war kleiner als San Felipe de Guzmán und wirkte ärmlich. Die Einwohner beobachteten sie neugierig, blieben jedoch auf Abstand. Nur ein Mann schritt ihnen entgegen. Dieser trug ähnlich wie Hernando de Gamuzana lange Tuchhosen, ein weißes Hemd, eine verzierte Weste und darüber einen kaum über den Gürtel hinausreichenden Rock. Selbst der breitkrempige Hut mit dem aufgebogenen Rand fehlte nicht, nur war alles weitaus schlichter, und die Stickereien bestanden nicht aus Silber, sondern waren mit roten Fäden ausgeführt worden.
    Der Mann begrüßte ihren Führer und wandte sich dann an Walther. »Señor, darf ich mich vorstellen. Ich bin Diego Jemelin, der Beauftragte Seiner Exzellenz, Don Ramón de Gamuzana, für den südlichen Teil des Ansiedlungsgebiets.«
    »Angenehm! Mein Name ist Walther Fichtner.« Walther streckte dem Mann die Hand hin, die dieser rasch ergriff und fest drückte. »Dem Himmel sei Dank, Sie sprechen Spanisch!«
    »Vorerst noch sehr wenig«, schränkte Walther ein.
    »Es dürfte ausreichen, um die Leitung im nördlichen Teil des Ansiedlungsgebiets zu übernehmen. Für mich ist es mehr als ein Tagesritt bis dorthin. Aus diesem Grund bin ich froh, diese Aufgabe Ihnen überlassen zu können. Aber ich werde Sie natürlich nach Kräften unterstützen, denn ich bin genauso wie Sie daran interessiert, dass unsere Ansiedlung gelingt. Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen drüben in der Cantina alles erklären, was Sie wissen müssen.«
    »Es wäre mir eine Freude.« Walther stieg von seinem Pferd und warf einem herbeieilenden Jungen die Zügel zu.
    Kurz streifte ihn der Gedanke, dass er beinahe genauso auftrat wie Hernando de Gamuzana, schob diesen aber beiseite und folgte Jemelin in die Gaststätte. Die Wände des Hauses bestanden aus luftgetrockneten Ziegeln und waren so dick wie bei einer Festung. Auch glichen die kleinen Fenster eher Schießscharten und spendeten nur wenig Licht. Dafür brannten mehrere Öllampen, die einen ähnlich widerwärtigen Gestank verströmten wie die Lampe im Zwischendeck der Loire. Hinter der Theke stand ein dürrer Mann mittleren Alters und putzte Tonbecher mit einem nicht besonders sauber aussehenden Tuch, während ein junges, schwarzhaariges Mädchen um die
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