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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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maßlos, daß die Ankunft des Schiffes einen solchen Rummel auslöste.
    Und hier wurde die Frau wütend. »Wenn schon nichts vorbereitet ist, keine Musikkapelle da ist, kein namhafter Politiker, kein Vertreter der Bundesregierung, kein Abgesandter der Länder, kein Bundestagsabgeordneter aus Bonn – dabei reisen die doch so gerne! – kein Bischof beider Kirchen – es hätten auch ein Generalvikar und ein Kirchenrat genügt –, keiner, der ein paar Worte sprechen könnte«, griff sie Blodmeyer an, »dann könnte man wenigstens eine deutsche Fahne auftreiben! Dieser Empfang ist ein Skandal! Wir blamieren uns vor aller Welt!«
    Man stritt zehn Minuten lang miteinander, Blodmeyer verbat sich alle Beleidigungen, aber dann kam doch ein Hafenbeamter mit einer Fahne und zog sie an einem Mast hoch, genau in dem Augenblick, in dem die Liberty in den Baakenhafen einbog.
    Ein Aufschrei aus tausend Kehlen begrüßte sie. Plötzlich hatten die Vietnamesen kleine Fähnchen in den Farben Gelb und Rot in den Händen, den Farben Südvietnams, und schwenkten sie hoch über den Köpfen. Und als das Schiff auf Hörweite herangekommen war und auf die Kaimauer zutrieb, dröhnten plötzlich unter dem Mantel versteckt gehaltene Megaphone auf, gellten die ersten Grußworte zu den winkenden Flüchtlingen hinüber, die mit noch lauteren Megaphonen beantwortet wurden. Stellinger hatte sie verteilen lassen.
    Etwas blaß wandte sich Blodmeyer an Hess und Hörlein. »Sehen Sie sich das an … das sind Wilde geblieben.«
    »Sie freuen sich nur.« Hörlein mußte gegen den Lärm anschreien. »Waren Sie schon mal auf einem deutschen Fußballplatz?!«
    Ein riesiges Transparent, mindestens zehn Meter lang, wurde ausgerollt. Zehn Mann hielten es hoch und streckten es dann in den Himmel.
    Chào mùng dông báo V.N. ty nan gông san den Hamburg
Wir begrüssen in Hamburg die vietnamesischen Flüchtlinge, die dem Kommunismus entronnen sind
    Und dann wurde es plötzlich still. Aus tausend Kehlen, innig und gläubig, ertönte ein Lied. Mit gefalteten Händen sangen sie es, mit traurigen Augen, mit einem Schluchzen mit der ganzen Sehnsucht nach ihrer Heimat.
    Ich liebe dich, mein Heimatdorf, jetzt und für immer,
ich liebe die Vögel, die uns die Nachricht vom Frieden bringen,
ich liebe mein Land und den Himmel,
und ich liebe das Reisfeld in der weiten Ferne,
wo ich mein Leben lang warten werde auf dich.
    Hess stieß den stillen Blodmeyer an. »Sie weinen«, sagte er. »Die Wilden weinen. Es sind vielleicht doch Menschen.«
    Neues Schreien unterbrach ihn, Blodmeyer zuckte zusammen. »Was brüllen sie jetzt?« fragte er.
    »Nieder mit dem Kommunismus! Es lebe Vietnam!« Hess sah zum Schiff. Es hatte festgemacht, die Gangway wurde gerade herausgeschwenkt. Wie eine Meute Jagdhunde drängten sich Reporter, Funk und Fernsehen nach vorn, nur das Knurren und Hecheln fehlte. »Das muß doch Musik in Ihren Ohren sein. Nieder mit dem Kommunismus!«
    »Ich bin Beamter«, antwortete Blodmeyer steif.
    »Verzeihung, das hatte ich einen Augenblick vergessen.«
    Die Gangway berührte den Kai. Fritz Kroll hakte die Sperrkette aus. Die Journalisten stürmten das Schiff. Piraten an Tonbändern, Mikrofonen und TV-Kameras. Die Verständigung war schwierig, da sprachen die Reporter um so mehr. Stellinger, der mit Kim am Deckshaus stand, wurde von einem Fernsehteam umringt. Die TV-Kamera surrte.
    »Welche Funktion haben Sie an Bord?« fragte der Interviewer.
    »Ich bin Oberbootsmann«, sagte Stellinger.
    »Sie haben neben sich eine bildhübsche Vietnamesin. Haben Sie sich die aus den anderen ausgesucht.«
    »Ja.«
    »Sie lieben Exoten?«
    »Ich liebe Mai.«
    »Wissen Sie schon, wo Mai hinkommen wird?«
    »Ja. Zu mir.«
    »Zu Ihnen? Ja wollen Sie das Mädchen denn heiraten?«
    »Nein, wir sind schon verheiratet. Ein Pfarrer in San Juan hat uns getraut. Das Standesamt holen wir nach. Noch was?«
    »Ja. Noch eine Frage: Wie denken Sie über den immer größer werdenden Widerstand gegen die Asylanten?«
    »Die darüber meckern, sind alles zu fette Arschlöcher. Man sollte sie mal ins Meer werfen, damit sie begreifen, was ersaufen heißt.«
    »Danke. Ende.« Der Interviewer winkte ab. »Der letzte Satz wird gestrichen.«
    Die Ausschiffung begann. Zögernd, zaghaft, aber vom Jubel ihrer Landsleute ermutigt, betraten die Flüchtlinge den Boden des Paradieses. Auf dem Kai warteten die Busse. Noch einmal in ein Lager, in ein schönes, sauberes Lager, zum letztenmal. In einem richtigen
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