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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Und wer hat zu dieser Kundgebung aufgerufen?« fragte Hörlein.
    »Eine sofort gegründete Bürgerinitiative unter dem Vorsitz eines Studienrates. Eine Kundgebung, auf die ein berühmtes Wort des alten Kaisers Wilhelm zwo, paßt: ›Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche‹. – Allerdings begann damit der Erste Weltkrieg.«
    Der Parteivorsitzende der FDP, der bisher an einer der hohen Fenstertüren gestanden hatte, kam in den Sitzungssaal zurück.
    »Sie kommen!« sagte er. »Mit einer Masse Schildern und Spruchbändern.«
    »Meine Herren, darf ich bitten.« Lübbers stieß die Türen auf und zeigte auf den Balkon. »Ein Logenplatz. Hier haben schon Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Theo Bümmer gestanden.«
    »Wer ist Theo Bümmer?« Hess schüttelte den Kopf.
    »Ein Radrennfahrer, das Idol der Stadt. Er hat mehr Beifall bekommen als Kohl. Ich habe darauf dem Herrn Bundeskanzler vorgeschlagen, das nächstemal auf dem Rad in die Stadt zu kommen.«
    Das war der alte Lübbers. Sein Lachen steckte alle an. Auch wenn die Geschichte erfunden war, sie war gut erfunden und sogar glaubhaft.
    Auf dem Balkon sahen sie dann, wie sich die breite Straße hinunter ein Demonstrationszug zum Kreishaus bewegte. Ein Wald von bemalten Schildern und aufgespannten Spruchbändern wogte über den Tausenden von Köpfen. Vorweg fuhr ein Polizeiauto, ein zweites bildete den Schluß des Zuges. Die Menschen, unter ihnen auch viele Frauen und Jugendliche, ja sogar Kinder, gingen stumm die Straße entlang, nur das Trappeln und Schlürfen der Schuhe hing über ihnen wie eine dumpfe, nicht rhythmische Musik.
    Hörlein warf einen Seitenblick auf Hess. Er sah, wie der seine Kamera bereit hielt, darauf wartend, daß der Zug am Kreishaus war und er Einzelheiten erkennen konnte.
    »Man hat uns total verschaukelt«, flüsterte Hörlein ihm zu.
    »Dein hochgelobter Lübbers.«
    »Dem ist das nicht anzulasten, Thomas. Seine Veröffentlichung war korrekt, kommentarlos, sogar wohlwollend.«
    »Und das«, Hess nickte zu den Demonstranten hinunter, »kommt dabei heraus.«
    Der Zug hatte jetzt den Platz vor dem Kreishaus erreicht. Die Marschierer erkannten ihren Oberkreisdirektor und die Vorsitzenden der Parteien im Kreistag. Die Schilder, Transparente und Spruchbänder wurden hochgereckt. Mit starrer Miene las Hörlein die Parolen. Hess fotografierte unentwegt. Ihnen schrie die Empörung einer ganzen Nation entgegen.
    Wehret der Überfremdung!
    Wir haben genug eigene Arbeitslose!
    Wann wird der Buddhatempel gebaut?
    Schützt unsere Frauen … Schwarze und Gelbe raus!
    Noch mehr Kriminalität?
    Man nimmt uns unsere Arbeitsplätze weg!
    Ausländer raus!
    Das Fass läuft über!
    Heute Vietnam … morgen Pippikacka!
    Und ein großes Spruchband, mindestens zehn Meter lang:
    Wir gehen noch einmal an unserer eigenen Dummheit zugrunde.
    Und eine große Zeichnung: Ein schlitzäugiges Monster umklammert die Brüste einer schreienden Frau. Eine blonde Frau. Eine echte deutsche Frau. Von Asiaten geschändet.
    Hörlein preßte die Lippen zusammen. Durch die Zähne sagte er: »Das ist ungeheuerlich.«
    Die Menschenmasse ballte sich vor dem Kreishaus zusammen. Pfiffe wurden laut, schrill und angreifend. Die Schilder wurden hoch in die Luft geschwenkt.
    Hess zeigte auf ein großes Schild, das in der ersten Reihe hoch gehalten wurde. Ein Protest in Reimen:
    Polen, Türken, Asiaten,
    alle, die da einen hatten,
    alle eilten sie herbei,
    selbst der scheich mit einem ei.
    Und bald erscholl's von allen Tempeln:
    In Deutschland kann man herrlich stempeln.
    »Infam!« sagte Hörlein laut und erregt. »Das ist infam! Herr Lübbers, ich habe genug.«
    Er ging zurück in den Sitzungssaal, die anderen Herren folgten ihm, der Vorsitzende der FDP im Kreistag schloß die Fenstertüren. Vom Platz her begleitete sie jetzt der Sprechchor der Demonstranten:
    »Ausländer raus! Ausländer raus! Wir wollen keine Chinesen! Wir wollen keine Chinesen!«
    »Es sind Vietnamesen«, sagte Hörlein, »nicht mal das begreifen sie.«
    »Für das Volk ist alles, was schräge Augen und eine halbwegs gelbliche Haut hat, chinesisch.« Lübbers lehnte sich an die Tischkante. Er sah dabei Hess an, der seinen abgeknipsten Film zurückspulte. »Das wollte ich Ihnen vorführen. Die Bürgerinitiative nach der Ankündigung, daß zwanzig Vietnamesen zu uns kommen. Nur zwanzig. Und wieviel haben Sie, Herr Hörlein, bisher aus dem Südchinesischen Meer gefischt?«
    »Bis heute,
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