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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sekunden Schweigen während des Trinkens nutzte Hörlein aus, sich innerlich zu wappnen.
    »Denken Sie jetzt nicht, Herr Hess«, sagte Lübbers gut gelaunt, »daß wir hier nur saufen. Bei Presseleuten muß man aufpassen, die hauen sofort in die Tasten und schreiben dann: Wie kann bei den Sitzungen etwas Vernünftiges herauskommen, wenn alle besoffen sind. Bei den Sitzungen gibt es nur Mineralwasser und Fruchtsäfte. Ja, und Cola.« Er lachte wieder und stellte sein leeres Bierglas ab. »Aber heute ist Sonntag, ich habe die Herren Parteivorsitzenden zu mir gebeten, und damit sie nicht um ihren Frühschoppen kommen, gibt es heute Bier.«
    »Sie haben von Journalisten keine gute Meinung?« fragte Hess ruhig.
    »Sagen wir: Eine geteilte Meinung. Wie überall gibt es solche und solche. Ich habe mal bei einer Demonstration in Bonn erlebt, wie ein Kameramann des WDR-Fernsehens verzweifelt zu den ruhig herumstehenden Demonstranten rief: ›Was ist denn los? Macht mal ein bißchen Remmidemmi! Was soll ich denn filmen? Bewegung, Jungs!‹ Und da haben ein paar randaliert und gebrüllt, erschienen später auf der Mattscheibe in Großaufnahme und der Sprecher sagte dazu: ›Die Empörung der Demonstranten kann nicht mehr überhört werden‹. – Sicherlich ein Einzelfall, aber so was läßt einen doch nachdenklich werden über die Objektivität des deutschen Journalismus.«
    Lübbers ging zu einer Mappe, die auf dem Tisch lag, und nahm sie an sich. »Oder ein anderes Erlebnis. Die deutschen Zeitungen berichteten: ›Massendemonstration der Unabhängigen auf Teneriffa. Die Kanarischen Inseln wollen ein eigener Staat werden. Loslösung vom Mutterland Spanien. Wilde Schlägereien auf der Plaza Charco. Viele Verletzte!‹ – Ich habe damals vier Wochen Urlaub auf Teneriffa gemacht, und genau an diesem Tag saß ich auf der Plaza Charco und aß ein Eis. Ich habe keine Demonstranten gesehen, keine Schlägerei, keine Verletzten. Es war ein herrlicher, warmer, sonniger Tag voller Frieden. – Was soll man davon halten?«
    »Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben.« Hess hob die Schultern. »Ich jedenfalls hätte so etwas nie geschrieben. Ich halte mich – wie Sie gesehen haben – an Fakten, an konkrete Zahlen, an Äußerungen der Politiker und der Behörden.«
    »Und deshalb habe ich Sie eingeladen, heute bei uns zu sein. Wir Behörden sind gar nicht so schlimm.« Lübbers holte aus seiner Mappe zwei Exemplare der örtlichen Zeitung. Sie war bereits so aufgeschlagen, daß Hess und Hörlein den Artikel gleich lesen konnten.
    Es war eine nüchterne Meldung, die darüber informierte, daß der Kreis zwanzig Vietnam-Flüchtlinge aufnehmen werde und sich freue, ihnen in diesem schönen Land eine neue Heimat zu geben. Die Vietnamesen würden in etwa sechs Wochen in Hamburg mit dem Rettungsschiff Liberty of Sea ankommen.
    Das war schon alles. Hörlein ließ die Zeitung sinken und nickte. »Das ist ein gutes Fundament für die Eingliederung«, sagte er. »Auch wenn keiner von ihnen Deutsch spricht – arbeiten können und wollen sie. Sie werden alles machen, sie scheuen keine Mühen.«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort.« Lübbers nahm die Zeitung wieder an sich. »Wir hatten hier in der Fenster- und Türenfabrik, dem größten Arbeitgeber im Kreis, sieben Türken beschäftigt. Nach knapp anderthalb Jahren waren sie wieder weg, rausgeekelt, bedroht, verdroschen, angepöbelt, isoliert, schikaniert, weil sie klaglos Überstunden machten, sogar am Sonntag, und dadurch – so die deutschen Arbeiter – das Betriebsklima versauten. Schließlich kämpft man ja um die 35-Stunden-Woche – und da kommen diese Mohammedaner und schuften wie die Kulis. Das geht ja nun wirklich nicht.« Lübbers' Ironie war zum Schneiden dick. »Und jetzt, Herr Hörlein, offerieren Sie mir Vietnamesen, die Stunden auf Teufelkommheraus abkloppen und jeden Gewerkschafter auf die Palme bringen!« Lübbers legte die Mappe mit den Zeitungen auf den Tisch zurück. »Am Freitag vor acht Tagen, wie Sie wissen, ist die Verlautbarung des Kreises in der Zeitung erschienen.« Lübbers blickte auf seine Armband. »Seit zehn Uhr läuft im Fußballstadion eine Kundgebung, zu der aus dem ganzen Umkreis etwa 6.000 Menschen gekommen sind. Ich habe Sie eingeladen, Herr Hess, Herr Hörlein, sich das einmal anzusehen. In etwa zehn Minuten werden wir auf den Balkon hinaustreten.«
    »Das erinnert mich stark an Bonn«, sagte Hess ahnungsvoll. »Nun macht mal ein bißchen Remmidemmi, Jungs
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