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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Versprecher kann die ganze Aktion verderben. »Um so mehr erstaunt mich der Fleiß der Behörde. Sechs Wochen für 321 Flüchtlinge.«
    »Ich sagte: Nehmen wir an. Wir hätten also ab sofort etwa zwölf Wochen Zeit, die Bevölkerung darauf vorzubereiten, daß Vietnamesen in ihrer Mitte aufgenommen werden sollen. In meinem Kreis also zwanzig! Ich lade Sie ein, Herr Hess, zu mir zu kommen. In der Freitagsausgabe unserer hiesigen Zeitung werde ich von Amts wegen bekanntgeben, daß zwanzig Vietnamesen bei uns angesiedelt werden. Können Sie am Sonntag in acht Tagen zu mir kommen?«
    »Ich werde es so einrichten, Herr Lübbers. Um wieviel Uhr?«
    »Seien Sie so gegen zehn Uhr hier. Sie treffen mich im Kreishaus. Die Fraktionsvorsitzenden der Parteien im Kreistag werden auch zugegen sein.«
    »Das hört sich sehr interessant an, Herr Lübbers.«
    »Wird es auch, Herr Hess. Und vergessen Sie nicht, eine Kamera mitzubringen. Also bis Sonntag in acht Tagen!«
    »Ich bin pünktlich da, Herr Lübbers.«
    Hess legte auf, rief aber sofort Hörlein an. Er schilderte ihm das Gespräch, und Hörlein gratulierte ihm wieder.
    »Bernd Lübbers ist ein guter Mann!« sagte er. »Bei der nächsten Bundestagswahl hat er alle Chancen, MdB zu werden. Ein blendender Redner, politisch genau in der Mitte, läßt auch die Meinungen anderer Parteien gelten, wenn sie Hand und Fuß haben. Wenn du Lübbers auf deine Seite ziehen kannst, haben wir einen einflußreichen Verbündeten. Die Sache mit den Fraktionsvorsitzenden des Kreistages ist eine hervorragende Idee. Das gibt eine gute Presse.«
    »Ich weiß nicht, Albert …« Hess steckte sich eine Zigarette an. »Seine Freundlichkeit war mir einen Hauch zu glatt.«
    »Lübbers' optimistische Haltung ist bekannt. Mit dieser Freundlichkeit setzt er fast alles in seinem Kreis durch. Er streitet nicht, er überzeugt. Du wirst es am Sonntag erleben.« Hörlein schien in seinen Notizen zu blättern, Hess hörte das Rascheln von Papier. »Du, ich habe an diesem Sonntag keine Termine. Soll ich mitkommen?«
    »Das wäre mir sehr lieb, Albert. Vielleicht kannst du vor den Lokalpolitikern einen Vortrag halten. Immerhin müssen sie sich um zwanzig Flüchtlinge kümmern.«
    »Eine gute Idee, Thomas.« Hörlein machte sich eine Notiz. »Von Pappnitz hast du noch nichts gehört?«
    »Ich nicht. Aber bei der Zeitung in Frankfurt liegt von ihm ein Leserbrief vor. Eine Kopie ist an mich unterwegs. Er wirft mir Unsachlichkeit und Unkenntnis vor, das hat man mir schon gesagt. Bitte, er soll mir das beweisen.«
    »Der Sonntag bei Lübbers wird vieles ändern«, sagte Hörlein. »Vieles.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr. Nein, lieber in Lübbers Ohr.«
    Hörlein lachte und legte auf. Das war heute ein guter Tag, dachte er. In die Trägheit kommt endlich Bewegung.
    Nur: Was machen wir mit den 243 zuviel Geretteten?
    Am Sonntag, pünktlich um zehn Uhr vormittags, betraten Hess und Hörlein das Kreishaus. Der Portier hatte sie anscheinend erwartet, schloß die schwere, kunstvoll gestaltete Bronzetür mit den schönen Glasmalereien auf und sagte: »Kleiner Sitzungssaal, 1. Stock.« Von der nahen Kirche begannen jetzt die Glocken zu läuten. Der Gottesdienst fing an.
    Im Sitzungssaal standen die Herren von den Parteien herum, rauchten und bedienten sich der Gläser und des Flaschenbieres, die auf dem langen Tisch standen. Lübbers, ein jovialer, graumelierter Herr mit einem kleinen Bauchansatz, kam Hess und Hörlein entgegen und begrüßte sie mit Handschlag.
    »Ich freue mich, meine Herren, Sie kennenzulernen, nachdem wir schon so viel von Ihnen gehört und gelesen haben.«
    »Wir freuen uns auch, Herr Lübbers.« Hess zeigte mit dem Daumen zum Fenster. Zwei breite Fenstertüren führten zu einem Balkon hinaus, von dem man die Hauptstraße und einen parkähnlichen Platz überblicken konnte. »Aber das war nun wirklich nicht nötig!«
    »Was?« fragte Lübbers verblüfft.
    »Daß man unsertwegen die Glocken läutet …«
    Ein Zusammentreffen, das gleich mit einem Lachen beginnt, lockert die Atmosphäre auf. Lübbers stellte die Herren der Parteien vor, Hände wurden gedrückt, man musterte sich gegenseitig. Trotz aller zur Schau gestellten Herzlichkeit blieb eine Kühle zurück, eine innere Distanz, die Hess und Hörlein deutlich spürten. Vor allem Hörlein war betroffen, – er hatte sich das Zusammentreffen mit Lübbers anders vorgestellt. Sie schenkten sich ein Glas Bier ein, prosteten sich gegenseitig zu, und die paar
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