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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine ersten Gehversuche über Deck, besuchte Fritz Kroll und sagte: »Mich für den Sarg ausmessen, du Arsch, das könnte dir so passen! Allein der Gedanke, in dein Patent zu kommen, macht mich unsterblich!« und lag dann während der Fahrt durch die Karibik und an der Nordküste von Südamerika entlang in der Sonne und tankte neue Kraft. Als er zum erstenmal wieder Mai in seinen Armen hielt, wußte er, daß er gesund war.
    »Und da drüben ist das berühmte Tropenkrankenhaus!« sagte er jetzt zu Kim. »Und da, siehst du den langgestreckten, flachen Bau mit dem Turm dran, das ist ein ganz berühmtes Fischlokal. Da werden wir mal ganz toll eine Seezunge à la Müllerin essen. Und dahinter, das kannst du nicht sehen, liegt die Reeperbahn, die Große Freiheit, der Hans-Albers-Platz, die Herbert-Straße, ein Puff neben dem anderen, Nachtlokale, wo sie's auf einer Bühne machen, und alle sitzen drumrum, und wennste willst, kannst du sogar mitmachen.«
    »Schweinerei«, sagte Kim auf deutsch.
    Sie fielen sich um den Hals und küßten sich, mitten unter den Vietnamesen, und viele schauten ihnen zu und freuten sich mit ihnen.
    Deutschland! Welch ein reiches Land! Diese Häuser, dieser Hafen, dieser Wald von Kränen, dieses Gewimmel von Autos, die Labyrinthe der Straßen, die Hochhäuser, die gut gekleideten Menschen. Hier also würde ihr neues Leben beginnen. Ein Leben ohne Angst vor den politischen Kommissaren, ohne Sorge darum, ob der Reis reicht und man genug Fische fängt, ohne Furcht davor, in die Kirche zu gehen, ohne jeden Druck von den kommunistischen Verwaltern, ein Leben, das man sich noch gar nicht vorstellen konnte.
    Langsam fuhr die Liberty of Sea durch den Hafen, eines von vielen Schiffen, von kaum jemandem beachtet. Das Rote Kreuz hatte Larsson schon in Manila übermalen lassen. Die Ankunft in Hamburg sollte nicht gleich mit einer Anzeige beginnen.
    Die Schlepper hatten bereits auf der Höhe des Elbtunnels abgedreht, nur der Lotse gab jetzt den Weg an. Als sie ganz langsam in den Baakenhafen einliefen, und Larsson mit einem tiefen Brummton des Nebelhornes den Petersenkai begrüßte, brach an Deck ein Jubel aus, fielen die Flüchtlinge in die Arme, wurden Kinder hochgehoben und abgeküßt, begann eine Gruppe mit einem Volkstanz, und Hunderte Hände klatschten dazu.
    Bevor die Liberty die Nordelbe hinauffuhr, hatte Peter Blodmeyer ein paar hektische Stunden gehabt. Die Versmann-Straße war abgesperrt, nur Personen mit Ausweis wurden durchgelassen. Zeitungsreporter, Fernsehen, Funksprecher warteten auf das Schiff, und dann erlebte Blodmeyer, was es heißt, eine Menschenwelle aufhalten zu wollen.
    Es waren vielleicht zweitausend Menschen, die auf den Petersenkai stürmten, um die Liberty zu empfangen. Hörlein und Hess hatten in den vergangenen acht Tagen »getrommelt«, in jeder Zeitung wurde über die bevorstehende Ankunft des Flüchtlingsschiffes aus Vietnam berichtet und über die an Bord befindlichen 321 Vietnamesen, die Deutschland aufnehmen würde. Am Tage der Ankunft waren daher aus allen Teilen Deutschlands Vietnamesen gekommen, die ihre Landsleute mit Jubel empfangen wollten. Sie lebten schon seit Jahren in der Bundesrepublik, hatten sich eingegliedert, hatten deutsche Freunde gewonnen, waren fleißige Arbeiter, hatten Geld gespart, fuhren ein Auto. Ihr Glück war es gewesen, daß sie in dieses Land gekommen waren, als sie noch als geheimnisumwitterte Exoten galten, als der Ausländerhaß noch nicht wie eine Seuche durch das Land kroch.
    Nun standen sie hier am Petersenkai und warteten. Viele waren bereit, die neuen Landsleute bei sich aufzunehmen, mitzunehmen in ihre Wohnungen. Blodmeyer, über dessen Tisch alle Anträge liefen, hatte gestöhnt wie ein Schwerkranker und nicht begriffen, daß die Vietnamesen nicht verstanden, daß man nicht einfach einen Freund mitnehmen konnte. Die Neuankommenden wurden verteilt, auf die Länder, die Garantien gegeben hatten, was dann mit ihnen geschehen würde, darüber konnte Blodmeyer keine Auskunft geben. Das überschritt sein Wissen. Aber die Vietnamesen wollten das nicht einsehen.
    Wie kann man das auch begreifen?
    Vor einer Stunde, die Liberty of Sea fuhr bereits am Fischereihafen vorbei, hatte es noch einen großen Krach gegeben. Eine deutsche Frau, die gekommen war, um die Landung mitzuerleben, sah sich um und wandte sich dann an Blodmeyer. Er stand mit Hess und Hörlein und einer Gruppe Hafenpolizisten abseits der über tausend Vietnamesen und ärgerte sich
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