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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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Kronen gleich, die nie von der Sonne des Äquators, höchstens unter der zerstörenden Glut ihrer eigenen vulkanischen Feuer schmolzen; die steilen Abhänge der Sierra mit wild zerklüfteten Wänden aus Porphyr und Granit mit wütenden Gletscherbächen und unermeßlich tiefen Felsschlünden; und innen, im Schoß der Berge, die geahnten und gewußten Schätze an Edelsteinen, Kupfer, Silber und Gold.
    Gold, vor allem Gold! Traum der Träume! Die Schluchten voll, die Erzgänge voll, ins Gestein gesprengt, grünleuchtendes Geäder unterm Eis, rotglühende Barren in den Höhlen, im Gefieder der Vögel und im Sand der Steppen, in den Wurzeln der Pflanzen und im Gerinnsel der Quellen.
    Um Gold zu gewinnen, hatten wir ja die Heimat verlassen und alle Fährlichkeiten auf uns genommen, die Wechselfälle eines entbehrungsreichen Lebens in einer unbekannten Welt. Ich hatte mein väterliches Erbteil vertan, hatte mich brotlos, und die Haltung eines Edelmannes mit Mühe bewahrend, in den Städten Kastiliens herumgetrieben, und als mir die Not an den Hals stieg, hatte ich den Werberuf Francesco Pizarros vernommen, der um jene Zeit in Madrid eingetroffen war, um einen Vertrag mit der Krone zu schließen. Und nachdem ich mich ihm und seiner Sache versprochen hatte, war mein Sinn nur noch darauf gerichtet, wie ich zu Reichtum gelangen könnte, und hierin war kein Unterschied zwischen mir und allen meinen Gefährten, den Rittern wie den einfachen Soldaten. War doch ganz Spanien, ja ganz Europa in einem fiebernden Taumel, solcherart, daß die Kinder und die Greise, die Granden am Hof und die Vagabunden auf den Landstraßen, der Bischof und der Bauer, der Kaiser und sein niedrigster Knecht keinen anderen Gedanken mehr hatten als die Schätze Neu-Indiens. Dieses verheerende Fieber hatte auch mich erfaßt und war bis auf den Grund meiner Seele gedrungen, wo es alles Licht auslöschte.

Kapitel 6
    Wir wußten von Tempeln, deren Dächer und Treppenstufen aus Gold waren. Wir hatten Gefäße und Zierate und Gewänder aus purem Gold gesehen. Man hatte uns von Gärten erzählt, in denen die Blumen meisterlich aus Gold nachgeahmt waren, insonderheit das indianische Korn, bei dem die goldene Ähre halb eingeschlossen war in breiten silbernen Blättern, während der leichte Büschel, zierlich aus Silber verfertigt, von der Spitze herabhing. Gold schien in diesem Land so gewöhnlich wie bei uns das Eisen oder Blei, und in der Tat kannten die Peruaner beides nicht, weder Eisen noch Blei.
    Das Unfaßliche, quälend in seiner Seltsamkeit, war, daß den Menschen hier das Gold, letztes Ziel und heißestes Begehren aller übrigen Menschheit, nichts bedeutete. Es war nicht Tauschmittel, nicht Besitztitel, nicht Maß, nicht Merkpunkt, es bildete nicht den Antrieb zur Tätigkeit, es lockte nicht und peinigte nicht und machte keinen schlecht und keinen gut und keinen stark und keinen schwach. Man hätte meinen können: ist es nicht Gold, so ist es eben sonst ein Metall oder edles Element; aber dem war nicht so. Besitz war unter ihnen in anderer Ordnung geregelt als irgend sonstwo in der Welt, in einer märchenhaften und unsern Geist beunruhigenden Weise.
    Es lag an der Rangstufung der Geschöpfe. Millionen und aber Millionen einander völlig gleich; und über allen diesen unendlich hoch der Inka. Eine solche Vergöttlichung eines sterblichen Menschen hat es, soviel mir bekannt, noch nie gegeben und wird es vielleicht nie wieder geben. Ich hatte nach und nach viele Beweise davon erhalten und viele Berichte gehört. Von ihm floß Wohl und Wehe aus, alle Gnade, alle Würde, alle Habe. Auf der befransten Borla trug er zwei Federn des überaus seltenen Vogels Coraquenque, der in einer Wüste zwischen den Bergen lebte und nur getötet werden durfte, um das fürstliche Haupt zu schmücken.
    Es ist mir erzählt worden, daß vor grauen Zeiten das Volk lichtlos und gesetzlos dahingelebt habe. Da spürte die Sonne, die große Leuchte und Mutter der Menschheit, Erbarmen mit seinem niedrigen Zustand und sandte zwei ihrer Kinder aus, daß sie ihm die Segnungen des gesitteten Lebens bringen sollten. Das überirdische Paar, Bruder und Schwester, zugleich Gatte und Gattin, zog über die hohen Ebenen; sie führten einen goldenen Keil mit sich, und es war ihnen befohlen, ihren Wohnsitz an der Stelle aufzuschlagen, wo der Keil ohne Mühe in die Erde drang. Im fruchtbaren Tal von Cuzco erfüllte sich das Mirakel, der goldene Keil verschwand von selbst in der Erde.
    Von diesen
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