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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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beiden Lichtwesen stammte der Inka ab, und alles Land war sein Eigentum.
    Das ganze Gebiet des Reichs war für die Bodenbearbeitung in drei Teile geteilt, einen für die Sonne, einen für den Fürsten und einen, den größten, für das Volk. Jeder Peruaner mußte mit zwanzig Jahren heiraten, dann versorgte ihn die Gemeinde mit einer Behausung und wies ihm ein Landlos zu. Aber die Teilung des Bodens wurde in jedem Jahr erneuert und der Anteil je nach der Zahl der Familienmitglieder vergrößert oder verringert. Zuerst mußten die der Sonne gehörenden Felder bearbeitet werden; dann die der Greise, der Kranken, der Witwen, kurz aller derer, die aus irgendeinem Grund ihre Angelegenheiten nicht selber führen konnten; danach kam der Boden, der den eigenen Bedarf decken sollte, an die Reihe, doch war ein jeder verpflichtet, seinem Nachbarn zu helfen, wenn der etwa eine junge und zahlreiche Familie hatte. Zuletzt wurde der Acker des Inka besorgt, und das geschah mit großer Feierlichkeit und vom ganzen Volk gemeinschaftlich. Bei Tagesanbruch wurde von einem Turm herab zur Zusammenkunft gerufen, und Männer, Frauen und Kinder erschienen in ihren schönsten Kleidern, verrichteten heiter das Tagewerk für ihren Herrn und sangen dazu ihre alten Lieder und Gesänge. So hat man mir erzählt, und es ist wahr.
    Gemeingut war die Pflugschar, die Scheune, die Saat und das Brot. Gemeingut waren die Herden; zur festgesetzten Zeit wurden die Schafe geschoren, die Wolle wurde in die öffentlichen Vorratsspeicher abgeliefert und jeder Familie so viel davon zugeteilt und den Frauen zum Spinnen und Weben überwiesen, als zu ihrem Gebrauch erforderlich war. Alle mußten arbeiten, vom Kind bis zur Matrone, falls sie nicht zu schwach war, den Rocken zu halten. Niemandem war es erlaubt, müßig zu sein; Müßiggang war Verbrechen.
    Gemeingut waren die Bergwerke, die Schmelzöfen, die Sägemühlen, die Windräder, die Steinbrüche, die Brücken, die Straßen, die Wälder, die Häuser, die Gärten. Kein Mensch konnte reich werden, keiner konnte verarmen. Kein Verschwender konnte sein Vermögen in schwelgerischer Laune vergeuden, kein Spekulant seine Kinder durch waghalsige Geschäfte zugrunderichten. Es gab keine Bettler, es gab keine Schmarotzer. War ein Mann durch Unglück herabgekommen, denn durch eigene Schuld war es unmöglich, so war der Staat zu seiner Hilfe bereit, und er demütigte ihn nicht, indem er ihm eine Wohltat erwies, er stellte ihn, wie es das Gesetz verlangte, wieder auf gleiche Höhe mit den übrigen. Unbekannt waren Ehrgeiz und Habsucht, Ruhlosigkeit und der krankhafte Geist der Unzufriedenheit, politische Leidenschaft und selbstisches Streben. Niemand hatte Eigentum, alles gehörte allen, und alles, nicht nur das Land allein, war Eigentum des Inka, dieses Wesens von himmlischem Ursprung.
    Da entstand nun die zweifelvolle Frage, ob das Wildheit oder Entwicklung war, Form eines barbarischen und kindlichen Daseins oder eines fortgeschrittenen und höheren. Durfte man es verabscheuen und infolgedessen vernichten, oder war es zu schonen, vielleicht sogar zu preisen als ein Zustand menschlichen Zusammenlebens, der zu wünschen war? Es konnte nicht ohne Belang für uns sein, ob wir rohe und stumpfe Sklaven vor uns hatten, Werkzeuge eines Tyrannen von einer beispiellosen Machtgewalt, oder edlere und reinere Geschöpfe als die der christlichen Welt.
    Für mich war da kein Nein und kein Ja zu finden, obwohl es mir bei genauer Überlegung eher scheinen wollte, daß wir es mit verworfenen Leugnern jahrtausendealter Einrichtungen zu tun hatten, die nicht umgestoßen werden konnten, ohne daß das ganze Menschengeschlecht zu Schaden kam. Auf Besitz verzichten, das hieß auf Lohn und auf Ehre verzichten, auf Wetteifer und Auszeichnung, auf Emporstieg und alle Lust des Ungefährs und alles, was das Mein vom Dein und was das Ich vom Du scheidet; ein Gedanke, zu grauenhaft und zu lästerlich, um sich ihm anders hinzugeben als mit dem unbeirrbaren Entschluß, ihn von der Erde zu vertilgen.
    So schien es mir in jener Nacht; später war ich desselben Sinnes nicht mehr. Ich wälzte mich unruhig auf meinem kargen Lager und wartete auf den Anbruch des Tages.

Kapitel 7
    Es war ein Tag, der mit Verrat begann, das muß eingestanden werden, und mit Blut endete. Er erniedrigte den Inka und sein Volk für Zeit und Ewigkeit und verwandelte das Land in eine Brand- und Mordstätte. Das ist nicht mehr zu verbergen, und die Spuren sind allerwegen noch heute
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