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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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Gebaren das trunkene Entzücken, die unstillbare Begehrlichkeit und wesenlos neidhafte Angst verrieten, die in ihnen tobten.
    Ich stand in der Mitte des Platzes und hatte allmählich mein Augenmerk nur auf den Inka gerichtet. Er schien nicht recht zu begreifen, was sich vor seinen Blicken abspielte. Indem er angestrengt nachdachte, näherte sich ihm Felipillo und sagte mit leiser Stimme und heuchlerisch-demütigem Gebaren einige Worte zu ihm. Wie ich später von Hernando de Soto erfuhr, der es von Atahuallpa selber wußte, war Felipillos Rede so: "Sie wollen Gold. Sie winseln um Gold, sie schreien um Gold, sie zerfleischen einander um Gold. Frag sie um den Preis deiner Freiheit, und du wirst sie mit Gold kaufen können. Es gibt nichts in der Welt, was sie dir nicht für Gold geben würden, ihre Weiber, ihre Kinder, ihre Seele und sogar die Seelen ihrer Freunde."
    In jener Stunde ahnte ich nur den Sinn der wahren und furchtbaren Worte. Was mich bis ins Innerste bewegte, war der Ausdruck des Grauens und Grübelns im Gesicht Atahuallpas. Es ist sicher, daß er von da ab unablässig über dies eine nachdachte, denn er vermochte nicht daran zu glauben, daß man für ein so nichtiges Ding, wie es das Gold in seinen Augen war, ein so wichtiges wie die Freiheit gewinnen, ja daß man überhaupt etwas damit erkaufen, etwas dafür haben könne. Etwas haben: das war in seinen Augen ein ganz anderer Begriff als in unsern. Der Gedanke, etwas mit Gold zu erkaufen, mußte ihn im tiefsten Gemüt erstaunen und beunruhigen. In jener Stunde, beim Anblick meiner vom Gold berauschten Gefährten auf der einen Seite und der stummen Gestalt und staunenden Miene des Inka auf der andern, wurde mir zum erstenmal deutlich, wie fremd wir ihm waren, unfaßbar und schaurig fremd, nicht wie Menschen aus einer Welt, die er nicht kannte, sondern wie Wesen von einer ganz und gar unerklärlichen Beschaffenheit.

Kapitel 9
    Es kamen aber nun seine Diener und Dienerinnen nach Caxamalca, seine Höflinge und seine Frauen, und flehten mit emporgehobenen Händen, daß man sie zu ihrem Herrn lasse. Sie sagten, ihr Leben sei dem Inka zugeschworen seit ihrer Geburt, und aus seiner Nähe verstoßen, müßten sie nach dem Gesetz des Landes den Tod erleiden.
    Der General wählte ungefähr zwanzig von ihnen aus, darunter den Prinzen Curacas, den Halbbruder des Inka, den dieser besonders liebte. Es war ein schöner und sanfter Jüngling, dem Fürsten ähnlich an Gesicht und Gestalt. Die übrigen schickte der General wieder ihres Weges. Wie wir kurz hernach vernahmen, begingen sie allesamt Selbstmord.
    Es kamen aber auch Tausende von andern Bewohnern des Landes und der Städte, die ihren Herrn nur zu sehen verlangten. Sie wurden erst nach Caxamalca gelassen, wenn man sich vergewissert hatte, daß sie keine Waffen bei sich trugen. Es hätte dessen nicht bedurft. Sie waren in einem Zustand äußerster Verstörtheit. Sie konnten nicht glauben und nicht begreifen, daß der Sohn der Sonne ein Gefangener war. Voll schmerzlicher Verwunderung schauten sie uns an, und wenn einer der Unsern zu ihnen redete, bebten sie in abergläubiger Furcht. Eine übernatürliche Macht schien sie vor den Mauern festzuhalten, die den Inka umschlossen; manche weinten, manche seufzten bloß still, manche lagen auf den Knien, das Haupt zwischen den Armen, und in der Nacht sah ich ihre Augen aus der Dunkelheit leuchten, indes von den Bergen herüber die klagenden Gesänge schallten.
    Das ganze Reich war in Trauer und Verzweiflung.

Kapitel 10
    Vom sechsten Tag ab übertrug mir der General die Bewachung des Inka, und zur Erfüllung dieses wichtigen Amtes erhielt ich den Befehl über fünfzehn der verläßlichsten Soldaten.
    Ich konnte nun den Gefangenen zu jeder Zeit und aus nächster Nähe beobachten. Er seinerseits schenkte mir keinerlei Aufmerksamkeit; nur für einen einzigen unter uns schien er etwas wie Sympathie zu empfinden, nämlich für Hernando de Soto, der denn auch stets Zutritt bei ihm hatte. Der General sah es mit günstigen Augen, weil er auf diese Art
    Gelegenheit erhalten wollte, sich über die Gedanken und Pläne des Inka zu unterrichten. De Soto gab sich viele Mühe mit ihm; seine Versuche, ihm unsere Sprache beizubringen und sich ihm verständlich zu machen, schlugen nicht gänzlich fehl.
    Atahuallpa verbrachte die Nächte fast ohne Schlaf, mit gekreuzten Beinen auf den Fliesen kauernd. Es war, als geize er mit jedem Schritt und jeder Bewegung seiner Hand. Von den Speisen, die
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