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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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standen schweigend und traurig seine Diener und Dienerinnen und lasen von seinen geliebten Zügen ab, wofür es unter ihnen keine Worte gab. Denn für vieles gab es keine Worte unter ihnen, was wir Andersgeschaffenen mühelos bezeichnen konnten und was doch keinen Inhalt besaß.
    Es wird mir schwer, einen Begriff von meinen Empfindungen zu geben, und noch schwerer, auch nur anzudeuten, von welcher Beschaffenheit die waren, die ich in der Brust Atahuallpas vermutete, dessen Person und Wesen von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag meine Unruhe und mein Bekümmern stärker erregten. Ich weiß nicht, was es war, ich kann den Grund nicht sagen; oft dünkte mich, als müsse ich in ihn hineinschlüpfen, um sein Herz und das Innerste seiner Gedanken zu erkunden; seine fremdartige Menschenhaftigkeit flößte mir Scheu ein, etwas seltsam Unschuldsvolles, seltsam Geheimnisvolles, so Zartes, daß es Schmerz verursachte, daran zu rühren, wovon ich Auge und Sinn nicht losreißen konnte und was mich überdeckte wie mit einem trüben Schleier.
    Erst war er mir nur der Herr des Goldes, unselig mächtig, in finsterm Heidentum unselig verstrickt und den bösen Geistern überliefert, und ich fragte mich nicht, mit welchem Recht ich ihn verdammte, ich, den der stete Anblick des Goldes wie ein brennendes Gift aufwühlte und dessen Hirn nichts wußte als Gold und Glanz des Goldes und Verheißung des Goldes und Wollust, die es bringen sollte. Dann drang meine Seele mit sonderbarer Gewalt in die seine, so daß ich es wie einen Fluch fühlte und alsbald wie eine höhere Stimme und wie etwas, das Gewissenslast und Trauer verursacht. Da war ich bisweilen gleichsam doppelt, er und ich in einem, und das Gold bedrängte mich, und seine Seele bedrängte mich; wie soll man dies erklären?
    Ich sah, daß ihn nicht bloß die Sorge und Erkundung nach dem Anwachsen des Goldes beschäftigte; ein ganz anderes spannte und quälte ihn: unsere Gegenwart, unser Sein und Tun. Das hatte ich nach und nach mit Sicherheit ergründet. Es hatte mit Neugierde begonnen; die Sprache, der Klang der Stimmen, Schritt und Gebärde, Zorn und Lachen, Tracht und Sitte, das alles war von einer Verschiedenheit, daß es ihm den Atem stillstehen machte, unerforschlich wie die Welt hinter der Sonne, verächtlich und unheimlich, jedes bis zum Äußersten und so, daß er das eine vom andern nicht lösen konnte. Schaute er in unsere Gesichter, die gegerbtem Leder glichen, traf ihn ein Blick von dem oder jenem, dieser Blick, dem keine Scham und kein Verschweigen innewohnte, so erschrak er wie bei der Berührung von Unreinem.
    Seit aber das Gold im Hause lag und wir alle, vom Führer bis zum letzten Söldner, gierig seine Anhäufung bewachten, erfüllte ihn Furcht und Grauen vor uns, und in solchem Grad oft, daß er die Augen schloß, wenn er einen von uns gewahrte. Das ist die Wahrheit, das habe ich erfahren.
    Mehrere von unseren Leuten belagerten immer das Fenster, das mit Gittern versehen worden war, und stierten mit glasigen Blicken in den Raum. Sie rochen das Gold, sie schmeckten es, das wußte ich, war es mit mir doch genau so. Manchmal kam einer in die Nähe des Gemachs, spähte auf den gelblohenden Schatz, und seine Züge verkrampften sich zu einem schrecklichen Ausdruck zwischen Zärtlichkeit und Hunger; seine Hand machte die Gebärde des Greifens und sein Auge loderte zur Seite, als fürchte er, daß ein anderer da sei, der ihm zuvorkam. Das war in jedem von ihnen die Angst, daß der andere ihm zuvorkam; das war auch in mir.
    Ich bemerkte nicht selten, daß Atahuallpa in der Nacht, wenn seine Getreuen schliefen, aufrecht saß und lauschte. Da war nämlich immer ein Scharren und Schlüpfen, Murmeln und Rascheln, und wenn zufällig der Mond schien und sein Strahl das Gold beleuchtete, sah man die brünstig aufgerissenen Augen, in denen ein matter Schein war, aus Goldglanz und Mondglanz gemischt, und sie waren dann Tieren ähnlich, die auf verborgenen Wegen zur Tränke schleichen, aus Furcht vor anderen Tieren, die stärker sind.
    Ein ziemlich alter Soldat, José Maria Lopez, ein Weißbart mit zahlreichen Narben im Gesicht, nahm einmal einen schweren goldenen Ziegel in die Hand, und das wirre Staunen, die halbirre Freude verzerrte seine Züge und ließ sie erbleichen. Es war in der Abenddämmerung; er hatte sich der Schuhe entledigt und war auf nackten Sohlen gekommen; einer der Gefährten hatte ihn argwöhnisch beobachtet; er folgte ihm lautlos und fiel mit heiserem Schrei
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