Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten
Autoren: Waldtraut Lewin
Vom Netzwerk:
ZUM GELEIT
    Über zweihundert Jahre regieren die Nachkommen des Propheten Mohammed, die Omayaden, in Al Andalus, dem heutigen Andalusien. Ihre Hauptstadt ist Cordoba. Nach dieser Zeit machtvoller Herrschaft, kultureller Hochblüte und friedvollen Miteinanders der drei Religionen Islam, Judentum und Christentum zerstört ein Emporkömmling, Al Mansur, einst ein unbedeutender Schreiber aus Algeciras, von seiner Geliebten, einer Haremsfrau des verstorbenen Kalifen, zur Macht erhoben und für ihren unmündigen Sohn als regierender »Statthalter« eingesetzt, die subtile Balance des Reiches. Er holt als Söldner die fundamentalistischen Berber aus Nordafrika. Diese strenggläubigen Nomaden haben keinen Sinn für die Hochkultur von Al Andalus. Bald sind sie der Feind im eigenen Land, plündern und zerstören im Namen Allahs.
    In der Mitte des 11.   Jahrhunderts beginnt das Reich auseinanderzubrechen. Die letzten Nachkommen der Omayaden, die nach Al Mansurs Tod erneut zur Macht kommen, erweisen sich als unfähig. Al Andalus zersplittert wie ein Spiegel, zerspringt in viele kleine Königreiche, die Taifas, die sich in erbitterten Machtkämpfen gegenseitig das Leben schwer machen.
    Aber so wie auch eine Spiegelscherbe ein Bild wiedergibt, so blühen in diesen kleinen Ländern weiterhin Kunst und Kultur, denn die Emire, ihre Herrscher, wetteifern untereinander nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit dem Ruhmder Gelehrten, Sänger, Poeten und Weltweisen, die ihre Höfe schmücken.
    Einem bunten Flickenteppich gleicht nun die politische Landschaft von Al Andalus, einem Gebäude aus Mosaiksteinchen, dessen Einzelheiten im Auge zu behalten und richtig einzuordnen aus heutiger Sicht dem Historiografen vorbehalten ist, der die Fülle von einander verwirrend ähnelnden Namen, von Herrschaftswechseln, Intrigen und Beziehungen an der richtigen Stelle zu platzieren weiß.
    Dem Romanschreiber bleibt vorbehalten, das Kaleidoskop zu schütteln und aus den Steinen ein überzeugendes Bild neu zu gestalten. Grausam und schön, vielfarbig und exotisch.
    Die Protagonisten der Handlung haben historische Entsprechungen. Dass der Name der Heldin uns in der Transkription aus dem Arabischen als »Wallada« begegnet, ist uns bewusst. Wir haben die elegantere Variante »Valada« gewählt.
    Noch ein Wort zur Poesie, die in diesem Buch eine so große Rolle spielt: Selten hat es in der Welt ein so reiches Dichten gegeben wie im mittelalterlichen arabisch geprägten Raum, vor allem in Al Andalus.
    Die Bandbreite der Lyrik reicht von zartester Liebespoesie und Naturlyrik bis zu unflätig dreister Zote, zu Spott und gegenseitiger Beschimpfung. Beides wohnte im Schreibrohr der gleichen Dichter. Berührt das eine die tiefsten Gefühle, so ist das andere der »Vers auf die Welt«, die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität. Es ist freilich   – bis auf die Lobhudelei fürstlicher Gönner   – die einzige Form, in der diese Poeten ihre prosaische Gegenwart abbilden.
    Die Reime im Buch sind keine Übersetzungen, sondern freie Nachgestaltungen   – oder sie sind eben das, was man als »nachempfunden« bezeichnet. Die Autorin bittet Puristen dafür um Pardon.
     
    W.   L.

1
    VALADA BINT AL MUSTAKFÍ.
    Ich bin das einzige Kind des Kalifen Muhammad des Dritten, des vorletzten Herrschers aus jenem Geschlecht, das Cordoba zweihundert Jahre lang mit allen Segnungen des Friedens, mit Wohlstand, Glück und Lebensfreude, mit schöner Lebensart, mit Wissenschaften und Künsten beschenkt hat.
    Sollte ich mich nicht damit zufrieden geben?
    In dieser meiner Stadt, in Cordoba, gibt es keine Person, die so frei und so geachtet ist wie ich   – Nachkommin großer Ahnen.
    Vor dreihundert Jahren, also genau im Jahr 134 nach der Hedschra des Propheten, dem Gesegneten Allahs, wurde mein nobler Ahnherr, ein Nachfahre Mohammeds und somit der rechtmäßige Kalif, in dies gesegnete Land Al Andalus verschlagen   – der einzige Überlebende unserer stolzen Dynastie, der Omayaden, nachdem alle anderen Mitglieder meines Hauses von unseren Rivalen, den Abbasiden, in Bagdad niedergemetzelt worden waren. Man lud sie zu einem Versöhnungsfest ein und ermordete sie dort.
    Diesem meinem Vorfahren, Prinz Abd Al Rahman, gelang es, dem Blutbad zu entkommen. Er flüchtete über Syrien nach Afrika, scharte Anhänger um sich und gelangte von dort in dieses Land. Sogleich wurde er mit Jubel von allen Muslimen empfangen, die sich seit einem halben Jahrhundert hier
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher