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Das Glück mit dir (German Edition)

Das Glück mit dir (German Edition)

Titel: Das Glück mit dir (German Edition)
Autoren: Lily Tuck
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Alptraum erzählen, den sie als Kind oft hatte – von dem mit den immer größer werdenden Zahlen und dass Philip gesagt hätte, der Traum stünde für die Angst vor der Unendlichkeit –, aber Dr. Mayer, das ahnt sie, versteht nichts von der Unendlichkeit.
    Sie erfindet stattdessen einen Traum über ein Haus. Ein großes, elegantes Haus, ganz aus Glas gebaut. Ein Haus, wie sie noch keines gesehen hat und wie sie noch in keinem war. Doch als sie die Tür öffnet und eintritt, weiß sie augenblicklich, dass sie nach Hause gekommen ist.
    Dieses Haus hier ist ihr Zuhause – ihr Zuhause seit zwanzig Jahren.
    Und auch dieses Bett – sie klopft auf die Steppdecke, um dem Gedanken Nachdruck zu verschaffen.
    Das Bett, ein altes Himmelbett, stand hochkant in einer Scheune zwischen Trödel und landwirtschaftlichem Gerät und war völlig mit Staub und Vogelmist bedeckt.
    Das Kopfbrett ist handgeschnitzt, erzählte ihr der Besitzer, ein Farmer, und spuckte Tabaksaft in eine Dose. Sechshundert Dollar. Keinen Cent weniger.
    Schauen Sie sich doch die Risse an. Den Rahmen wieder hinzukriegen, ist ein Haufen Arbeit, erwiderte Nina.
    Sie handelte ihn auf vierhundertfünfzig Dollar herunter. Für sie damals ein Vermögen.
    Und wie viele Nächte haben sie und Philip in dem Bett geschlafen?
    Wie viele Stunden?
    »Nehmen wir als Beispiel«, sagt Philip zu seinen neuen Studenten, »dass meine Frau und ich im Schnitt acht Stunden pro Nacht schlafen. Was allerdings nicht immer der Fall ist« – ein Student in der hinteren Reihe prustet vor Lachen. »Und zwar«, fährt Philip fort, ohne den Studenten zu beachten, »weil wir ein Baby haben. Ihr Name ist Louise, und sie lächelt und gurrt den ganzen Tag, aber nachts verwandelt sich Louise in ein völlig anderes Baby, ein Baby, das ununterbrochen weint«   – einige lachen, vor allem Studentinnen – »und dann müssen entweder ich oder meine Frau aufstehen und ihr die Windeln wechseln oder sie stillen, weshalb wir oft nur etwa fünf bis sechs Stunden Schlaf pro Nacht abbekommen. Aber wie wir gesehen haben« – hier wendet Philip den Studenten den Rücken zu und beginnt, an die Tafel zu schreiben – »die Normalverteilung, bekannt als Gauß’sche Verteilung, wird uns zeigen, wie, wenigstens annäherungsweise, alle Variablen – die Nächte, in denen meine Frau und ich keine acht Stunden Schlaf bekommen – sich tendenziell um denMittelwert gruppieren, also jene wundervolle Nacht von acht Stunden ununterbrochenen Schlafs, wenn Louise einmal nicht weint –«
    Nina isst keine Milchprodukte mehr – Mokkaeis, so herrlich nach dem Essen –, auch keine Zwiebeln, kein Weißkraut, keinen Blumenkohl mehr, Gemüse, auf das sie keinen großen Wert legt, zumal es ihr Blähungen verursacht. Sie verzichtet auf Koffein – ihren Morgenkaffee – umso besser, denn sie stillt ja Louise.
    Ein Schreibaby, ganz einfach.
    Louise schreit Monat um Monat, Nacht um Nacht. Stundenlang wiegt Nina Louise im Schaukelstuhl; badet sie warm, aber Louise schreit in der Wanne nur noch mehr, sie lässt sich nicht beruhigen. Erschöpft streift Nina ihren Mantel über das Nachthemd und schleppt das Körbchen mit der immer noch schreienden Louise die drei Treppen hinunter – der Hund in der Wohnung unter ihnen bellt wie immer und sein Halter ruft Halt’s Maul, blödes Vieh – und legt Louise auf den Rücksitz des Wagens. Abgesehen von den Straßenlaternen und einem gelegentlichen Geplärr aus einer Nachtbar sind die Straßen dunkel und still, und Nina, das Lenkrad mit beiden Händen umklammert, kurvt langsam, vorsichtig, in Cambridge, Mt. Auburn und Watertown herum. Einmal fährt sie bis Waltham, bevor Louise endlich zu weinen aufhört und einschläft.
    In solchen Nächten hasst Nina Louise.
    Natty Bumppo, der schwarzweiße Schäferhundmischling, zerrte in ihrem Traum so stark an der Leine, dasssie zerriss. Sie rannte hinter ihm her, rief seinen Namen   –
    Tobias – ganz unvermittelt fällt ihr der Name des alten gelben Labradors ihres Nachbarn ein.
    Sie fühlt sich steif und ein wenig unbehaglich, als sie sich vorsichtig aufs Bett schiebt.
    Sie will Philip nicht stören und den roten Seidenmantel nicht zerknittern.
    An Bord der Hypatia weht ihr ein plötzlicher Windstoß den Hut vom Kopf und ins Wasser.
    Herrje, ruft sie. Mein Hut!
    So ein Pech. Philip schüttelt den Kopf.
    Wende doch, bittet sie ihn, ich versuche, ihn rauszufischen.
    Schon hat sie sich den Bootshaken geschnappt und eilt zum Bug.
    Klar zum Wenden,
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