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Das Glück mit dir (German Edition)

Das Glück mit dir (German Edition)

Titel: Das Glück mit dir (German Edition)
Autoren: Lily Tuck
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vermeiden kann, geht sie nie unter einer Leiter durch und spannt im Haus keinen Regenschirm auf. Als Kind hat sie gesungen: Tritt nicht auf den Strich, sonst holt der Teufel dich. Selbst als Erwachsene blickt sie noch auf den Gehweg und vermeidet nach Möglichkeit, auf die Fugen zu treten. Gewohnheiten sind hartnäckig.
    Er ist nicht abergläubisch. Wenn doch, gibt er es jedenfalls nicht zu. Aberglaube ist unmännlich, mittelalterlich, heidnisch. Allerdings glaubt er an Koinzidenzen, an Glück, an Unfälle. Er glaubt nicht an Ursache und Wirkung, sondern an den Zufall. An das Wahrscheinliche, nicht an das Unvermeidliche.
    Wie sagt er immer?
    Einfälle lassen sich nicht voraussagen.
    Der Regen ist kurzzeitig in Schnee übergegangen. Schneegestöber sogar – höchst ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Sie macht sich Sorgen um ihre Schuhe. Weiße, hochhackige Satinpumps mit kleinen pinkfarbenen Plastikrosenknospen an der Spitze. Monate später versucht sie die Schuhe schwarz zu färben, aber es kommt nur ein schmutziges Braun heraus.
    Sie hätte es sich denken können. Schwarz ist achromatisch.
    Eine Landhochzeit – klein und trist. Das Zelt für den festlichen Empfang, aufgestellt im Garten ihrer Eltern, ist nicht gut genug beheizt. Der Boden darunter ist matschig, und die Schuhe der Frauen versinken im Gras. Die Gäste behalten ihre Mäntel an und sprechen über den U-2-Piloten, der an diesem Tag abgeschossen wurde.
    Wie ist sein Name?
    Glaub mir, die USA werden Rache nehmen, und dann haben wir den Atomkrieg am Hals, hört sie Philips Trauzeugen sagen.
    Jemand anderes meint, Kennedy seien ebenso die Hände gebunden wie McNamara, George Ball, Bundy und General Taylor.
    Der Trauzeuge erklärt, Kennedy sei ein Narr.
    Was sonst könnte er tun?, fragt ihn eine Frau namens Laura.
    Vergesst nicht die Schweinebucht. Alles unsere Schuld, erwidert der Trauzeuge. Er wird langsam ungehalten.
    Schluss mit der Politik. Wir sind auf einer Hochzeit. Da wird gefeiert, habt ihr das vergessen?, sagt Laura. Auch ihre Stimme klingt gereizt.
    Das Letzte, was sie von Laura gehört hat, ist, dass sie in San Francisco mit einer Frau zusammenlebt, einer Töpferin. Der Trauzeuge kam bei einem Lawinenunglück ums Leben. Er befand sich mit seiner vierzehnjährigen Tochter auf einer ungesicherten Tiefschneeabfahrt in Idaho. Auch die Tochter wurde getötet. Sie hieß Eva Marie – wahrscheinlich nach der Schauspielerin benannt, nimmt sie an.
    Anything can happen on a summer afternoon.
    Schluss, denkt sie und legt die Hände auf die Ohren.
    Rudolf Anderson – der Name des U-2-Piloten, der abgeschossen wurde.
    Seltsam, an was sie sich erinnert.
    Daran zum Beispiel, wie sie einmal zu Collegezeiten in Boston einen Blick auf Fidel Castro erhaschte. Sie weiß immer noch, wie aufregend das war. Gut ausgesehen hatte er in seinem olivgrünen Kampfanzug. Dreiunddreißig war er damals, trug das Haar lang und einen struppigen Bart dazu. Ihre Blicke begegneten sich, und er lächelte sie an. Da ist sie sich ganz sicher. Aber sie war eigentlich nicht sonderlich radikal; im Gegenteil, rückblickend war sie wohl eher schüchtern.
    Hübsch und schüchtern.
    Wieder denkt sie an jene dunkelhaarigen, mediterranen Frauen, Frauen mit Schleiern, Frauen mit langem, wirrem Haar, und wünscht sich, sie könnte sich an die Brust schlagen und lauthals jammern und klagen.
    Ihre Hochzeitsreise unternahmen sie nach Mexiko, um die Schmetterlinge zu sehen.
    Schmetterlinge? Wieso?, versucht Nina einzuwenden.
    Monarchfalter, Millionen. Ihre Wanderung beginnt gerade erst, aber das habe ich immer schon mal sehen wollen. Und anschließend fahren wir ans Meer und lassen es uns richtig gutgehen, verspricht Philip.
    Das Auto, ein alter Renault, ist gemietet, und die schmalen Straßen auf dem Weg von Mexiko-Stadt nach Anguangueo winden sich steil durch die Berge der Sierra Chincua. Es sind kaum Autos unterwegs, dafür hupen Busse und Lastwagen in einem fort und geben einem nie ein Zeichen, dass man überholen kann. Es gibt keine Wegweiser zur Stadt.
    Dónde? Dónde Anguangueo? , ruft Philip immer wieder aus dem Wagenfenster. Die Kinder am Straßenrand starren ihn bloß in stummer Verwunderung an. Sie halten Leguane in die Höhe, die sie verkaufen wollen. Die Leguane sind mit Schnur zusammengebunden und schmecken angeblich sehr gut.
    Der Geschmack soll wie Hühnchen sein, sagt Philip.
    Woher weißt du das?, fragt Nina.
    Anstatt zu antworten, streichelt Philip ihr Bein.
    Lass die Hände
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