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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
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die guten Noten nicht mehr von ganz alleine, und ich musste lernen zu lernen. Besonders Physik, Chemie und Mathe. So was würde ich auf keinen Fall studieren. Aber was dann? Oder erst mal ins Ausland? Aber wohin?
    Wir hatten plötzlich so viele Wahlmöglichkeiten. Am liebsten hätte ich Industriedesign studiert. Doch ich brauchte erst mal Geld, für den Start. Also beschloss ich, mit einer Ausbildung zu beginnen. Studieren könnte ich später noch immer.
    Nur eines war wirklich klar: Ich wollte weg aus Freiberg. So kam mir die Idee, mich bei Hotels zu bewerben. Ich schrieb zwei an, von denen ich zufällig gelesen hatte, und beide luden mich zu einem Vorstellungsgespräch ein. Das eine lag an der belgischen Grenze, was mir zu weit weg war. Deshalb vereinbarte ich den ersten Termin lieber mit dem anderen Hotel in Bayreuth.
    Dorthin chauffierte mich mein Vater. Als ein Wegweiser zum Vier-Sterne-Schlosshotel auftauchte, deutete ich zu einem kleinen Waldstück: »Vati, da vorne kannst du anhalten, da ist es gut zum Umziehen.«
    Während sich mein Vater die Beine vertrat, schlüpfte ich flink in eine Bluse – die wollte ich nicht verknautschen auf der Fahrt – und in schicke Schuhe. Ich hob einfach die Beine hoch und streifte mir die Pumps über die Füße. Meine schwarze Hose hatte ich schon an. Aufgeregt zwitscherten die Vögel in den Bäumen. So was bekamen sie nicht oft zu sehen. Ein Steinchen pikste mich am rechten großen Zeh, und ich balancierte auf einem Bein, während ich den Schuh ausschüttelte. Ich schlüpfte wieder hinein, strich mir noch mal über die Haare und drehte mich vor meinem Vater.
    »Geht’s so?«, fragte ich sicherheitshalber nach.
    »Sieht toll aus«, kam prompt die Bestätigung.
    »Vati, ich bin ganz schön aufgeregt.«
    »So schlimm wird’s schon nicht werden«, meinte er locker.
    »Das ist mein erstes Vorstellungsgespräch. Ich wäre froh, wenn ich es schon hinter mir hätte.«
    »Das machst du schon, Ines!«, sagte Vati mit voller Überzeugung und fragte: »Soll ich im Auto warten oder mit reinkommen?«
    »Ist mir egal«, erwiderte ich schon ein bisschen entspannter.
    »Dann warte ich draußen. Du schaffst das. Und wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm. Es gibt viele Hotels, überall. Du hast prima Noten – mach dir mal keinen Kopf.«
    Mein Vater hielt vor dem Jagdschlösschen, das beeindruckend nobel in einer gepflegten Gartenanlage auf Golfrasen thronte. Ich stieg manierlich aus dem Auto, obwohl ich mir am liebsten die Pumps von den Füßen gerissen hätte und über den Rasen gerannt wäre, und ging die ersten Schritte in meine berufliche Zukunft auf eigenen Beinen.
    Die Zusage für den Ausbildungsplatz bekam ich gleich am Ende des Gesprächs. Ich raste, nein, ich flog zurück zu meinem Vater. Der verlor auch in der Freude seine Fassung nicht.
    »Na siehste«, sagte er. »Hat doch alles gut geklappt.«
    Auf dem Rückweg durfte ich an das Steuer des elterlichen Toyota. Das erste Mal – eine große Ehre. Aber ich war jetzt auch ein großes Mädchen. Meine Füße betätigten Gas und Kupplung, und ich dachte gar nicht darüber nach. Die machten das ganz automatisch. Beugen und strecken. Irgendwo in meinem Kopf entstand der Befehl, und der wurde durchs Rückenmark geleitet und funkte Beine und Füße an. Die fragten nicht lange nach, sondern taten dienstbeflissen, was von ihnen verlangt wurde. So normal war das, dass keiner auch nur ein Wort darüber verloren hätte.
    Außerdem war mein Vater anderweitig beschäftigt. Er gab sich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen, doch ein klein wenig nervös war er schon. Als ich eine Weile hinter einem Golf im Schneckentempo klebte und mir überlegte, ob ich ihn überholen sollte, meinte er betont nebensächlich: »Ach, hast du ein Glück, dass der vor uns fährt, da kannst du schön gemütlich hinterherfahren.«
    »Mach ich, Vati.«

    »Was, dein Vater hat dich zu dem Vorstellungsgespräch chauffiert?« Manu konnte es nicht fassen. »Du hättest doch auch mit dem Zug fahren können!«
    »Ja, hätte ich«, erwiderte ich ein klein wenig pampig. »Aber ich war heilfroh drum, dass jemand dabei war. Ich finde das viel schöner so. Sonst hätte ich niemanden zum Reden gehabt. Ist doch doof, wenn man was Tolles erlebt und es keinem erzählen kann!«
    So war es auch, als ich meine Führerscheinprüfung am 11.11. bestand. Ich bettelte meinen Fahrlehrer an, der erste Prüfling sein zu dürfen, denn ich wollte nach der Prüfung so schnell wie
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