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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
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Schnitzel oder Gulasch oder Rouladen. Fleisch kam bei uns nur sonn- und feiertags auf den Tisch. Vati und Mutti aßen werktags in der Kantine und ich in der Schule. Mein Vater half viel im Haushalt mit. Ich hätte mehr helfen sollen. Meistens gelang es mir, mich zu drücken. Nur beim Abtrocknen klappte das nicht. Da gab es kein Entkommen.
    Am Abend sahen wir manchmal fern. Auch als ich größer war, guckte ich das Sandmännchen noch gerne. Zehn vor sieben konnte ich als Erstes an den Uhrzeigern ablesen. Als ich älter wurde, wollte ich danach natürlich nicht gleich ins Bett. Ich probierte es mit allen möglichen Tricks. Vati konnte ich manchmal erweichen, Mutti nie. Bei ihr musste immer alles nach Plan laufen.

Drei rothaarige Orgelpfeifen
    Um Dani bin ich lange herumgeschlichen. Es gab im Tivoli einen Rang, von dem aus man die Tanzfläche hervorragend beobachten konnte. Es war ein bisschen wie Ansitzen auf einem Jägerstand. Nun, auf der Pirsch waren wir auch, Manu und ich und alle anderen. Dani trug sein braunes Haar glatt und dazu einen goldigen Schnauzer. Er war groß und schlank, und stets hing ein offenes Hemd über T-Shirt und Jeans. Mit den Händen in den Hosentaschen balzte er am Rand der Tanzfläche. Ich behielt ihn gut im Visier.
    Eines Tages dachte ich: So kann es nicht weitergehen. Ich stöckelte ein paar Mal an ihm vorbei, ließ meine Hüften schwingen, fasste Mut und sprach ihn einfach an.
    »Dass du dich das traust!«, staunte Manu später. »Ich würde das nie wagen.«
    »Sonst wird’s ja nix!«
    Es wurde was. Allerdings nur bis Mitternacht, denn da wartete mein Vati im Toyota vor dem Tivoli. Und ich stolzierte hinaus auf meinen schönen Beinen. Freitag für Freitag. Manchmal verspätete ich mich ein bisschen. Vati hatte Geduld mit mir. Einmal ließ ich ihn aber sehr lange warten, und da war er sauer. Aber das machte mir gar nichts aus. Ich war nämlich verliebt, zum ersten Mal hatte es mich richtig erwischt.
    Dani fuhr auch einen Toyota. Er war sogar Elektriker. Ich weiß nicht, ob diese Ähnlichkeit mit meinem Vater dazu beitrug, dass Dani nach einem Jahr bei mir übernachten durfte und ich bei ihm. Er wohnte mit seiner Mutter und drei Schwestern in einem kleinen Dorf, in dem es alles gab, was dazu gehört. Haus, Hund, Kirche, und auf der Straße kannten sich alle. Es begeisterte mich, dass ich die Tür öffnen konnte und sofort draußen war, ohne dreitausend Treppenstufen runterzuspringen – was für eine Zeitverschwendung! Große Freude bereitete es mir, den Hund in der schönen Natur Gassi zu führen.
    In Danis drei kleine Schwestern war ich fast so verliebt wie in ihn. Nebeneinander sahen sie aus wie die berühmten Orgelpfeifen. Alle drei hatten feuerrotes Haar. Einmal war ich mit Dani und den drei Kleinen beim Rummel in Freiberg. Manche Leute starrten uns entgeistert an. Sie hielten uns für die Eltern und rechneten angestrengt, wie wir das geschafft haben mochten mit den Zwergen im Alter von zwei, vier und fünf Jahren.

    Dani und ich konnten nicht voneinander lassen. Die meiste Zeit verbrachten wir in seinem Zimmer. Manchmal holte er mich von der Schule ab. Das gefiel mir gut: ein volljähriger Freund mit Auto, der vor dem Schultor wartete. Manu fand ihn auch ganz nett. Ihre Meinung war natürlich wichtig. Bei ihr schüttete ich zuweilen mein Herz aus, in dem leider manchmal ein giftiger Stachel steckte: Danis Ex-Freundin. Auf die war ich eifersüchtig. Sie tanzte in der Garde im Nachbardorf, und das wurmte mich. Dani war aber nicht weniger eifersüchtig. Einmal fuhren zwölf Mädchen aus der Garde bei einer Werbeaktion als Osterhasen verkleidet in sechs Cabrios durch Freiberg. Dani behauptete, er habe die Wagen gezählt, und »mein« Cabrio habe gefehlt.
    »Es waren nur fünf, und du warst nicht dabei! Wo hast du dich rumgetrieben mit dem Fahrer? Was habt ihr gemacht?«
    »Du spinnst doch!«, war alles, was ich auf diesen Unsinn erwidern konnte.
    »Ne! Ich bin nur nicht blöd!«, beharrte er stur.
    Solche Szenen stressten mich. Höchstens im Traum wäre ich auf die Idee gekommen, mit einem Cabrio-Fahrer durchzubrennen. Ich war Dani treu, der doch eigentlich wissen sollte, dass eine Gardetänzerin als Freundin und Eifersucht nicht zusammenpassen. Da wird Mann sonst verrückt.
    Gardetänzerinnen sehen toll aus. Alles glitzert. Sie haben eine gewichtige Portion Selbstbewusstsein, denn sie müssen es aushalten, bewundert zu werden. Sie verkleiden sich gern. Röcke, Oberteile, hohe Stiefel
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