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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
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steckte. Ich glaube nicht, dass er sich einen Sohn gewünscht hat – und wenn doch, habe ich mein Bestmögliches gegeben, ihm den herbeizubasteln.

    Unser Schrebergarten war unterteilt in zwei Hoheitsgebiete: die Laube als Wohnbereich – hier regierte meine Mutter – und den Schuppen mit dem Plumpsklo. Dort war alles untergebracht, was wir für die Gartenarbeit benötigten, außerdem die Werkbank mit allen Werkzeugen und so wunderbare Dinge wie der Schraubstock und die Drechselbank. Ich war gern im Schuppen, hier konnte ich viel abstauben: Holzreste oder andere Überbleibsel. Stets hielt ich die Augen offen, wo etwas für mich abfallen könnte. Und dann überlegte ich: Wofür kann ich das gebrauchen? Möbel für die Puppe einer Freundin? Oder eine Kiste zusammennageln? Hämmern war mir überhaupt das Liebste. Mein Vater brachte mir den Umgang mit Hammer und Nagel früh bei. So waren wir beide beschäftigt, jeder arbeitete vor sich hin. Ab und zu brauchte ich jedoch Hilfe.
    »Vati guck mal, das passt nicht, kannst du mir das absägen?«, fragte ich dann.
    »Gleich Ines, wenn ich das hier fertig habe«, bat er und unterbrach seine Arbeit meistens doch sofort. Später forderte er mich manchmal auf, geduldiger zu sein. Das hat er mir allerdings nicht wirklich beigebracht, weil er immer gleich da war. Sogar, wenn er vorher »Warte mal« sagte.
    Zu Hause saß ich stundenlang neben ihm und beobachtete, wie er etwas reparierte, klebte oder lötete.
    »Was ist das?«, fragte ich ihm ein Loch in den Bauch, während er Löcher flickte, und er erklärte mir alles wohlüberlegt, ruhig und mit für mich gut verständlichen Beispielen.
    Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Handwerkliches Wissen erleichtert den Alltag enorm. Aber natürlich weiß ich längst nicht so viel wie mein Vater. Er ist sehr erfinderisch, und Probleme werden stets sofort gelöst. Heute noch rufe ich ihn oft an, und am Telefon erklärt er mir, wie ich beispielsweise eine Lampe anschließen soll.
    »Das Kabel teilt sich in drei Drähte: gelb-grün, blau und schwarz oder braun. Hast du die Sicherung draußen?«
    »Natürlich, Vati. Das habe ich als Erstes gemacht.«
    »Sehr gut, Ines. Hast du auch die Lüsterklemme parat?«
    »Klar, Vati.«
    »Dann gehen wir nun Schritt für Schritt vor. Bist du bereit?«
    »Bin ich, Vati.«
    Einmal reparierte ich sogar einen Fernseher unter seiner Anleitung. Mein Vater ist meine Hotline. Er gibt mir nie das Gefühl, etwas nicht zu können. Er sagt »Ich würde das so machen …«, und dann bekomme ich einen Tipp. Auch von meiner Mutter hätte ich bestimmt viele Tipps bekommen, doch die Abteilung Haushalt/Kochen/Ordnung interessierte mich nicht besonders. Ich habe lieber gehämmert als gerührt.

    Meine Mutter managte unsere kleine Familie. Vor der Wende kamen wir alle um 16 Uhr nach Hause, Vati von Muldenhütten, Mutti von der Bank, ich vom Hort. Um 17 Uhr stand das Abendessen auf dem Tisch. Wurst, Käse, Butter, Brot.
    Am Wochenende wurde samstags nach dem Frühstück die Wohnung geputzt. Zuerst wischte meine Mutter Staub. Danach saugte sie. Sie wusch auch die Wäsche, mein Vater hängte sie auf – je nach Wetter entweder im Hof oder auf dem Dachboden. Um 12 Uhr gab es Mittagessen, meistens ein einfaches Gericht: Suppe oder Nudeln.
    Nach dem Essen ging mein Vater zum Rauchen in den Keller. In der Wohnung durfte er das nicht. Im Keller roch es nach Staub, Kartoffeln und Kohlen – wir hatten ja alle Kohleöfen und schleppten die schweren Eimer nach oben. Meine Mutter musste meinen Vater nicht an den Müll erinnern. Er nahm ihn unaufgefordert mit nach unten. Kam er zurück, war meine Mutter schon dabei, die Küche zu wischen. Mein Vater wischte – wenn unsere Familie an der Reihe war – das Treppenhaus.
    Im Anschluss legten sich meine Eltern zu einem Mittagsschläfchen hin. Mutti ins Bett, Vati auf die Couch im Wohnzimmer. Als ich klein war, musste ich auch schlafen. Später durfte ich mit Kopfhörer im Wohnzimmer fernsehen, während Vati schlief. Manchmal zuckten seine Füße im Schlaf. Das fand ich lustig. Noch lustiger fand ich es, wenn er von seinem eigenen Schnarchen erschrocken hochfuhr.
    Alles war bei uns geregelt. Alles verlief nach Plan. So war man vor Überraschungen sicher. Irgendwie gruselig, irgendwie aber auch schön. Nach dem Schläfchen war Freizeit. Na ja, die Großeltern oder andere Leute besuchen – oder eben ab in den Garten. Sonntags kochte hin und wieder mein Vater, dann gab es Fleisch:
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