Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
Vom Netzwerk:
Auftreten im Tivoli geprobt hatte. Und manchmal ganz müde Beine. Eingeschlafene Füße, und wenn sie aufwachen, dieses Kribbeln. Das alles und noch viel mehr hatte ich mit meinen Beinen erleben dürfen. Sechzehn Jahre schon trugen sie mich durchs Leben. Die Treppe hoch in die Wohnung meiner Eltern. Wie oft habe ich mich über diese Stufen geärgert, weil ich sie mit dem schweren Schulranzen hochstürmen musste. Schnell weg damit und raus. Wenn Manu und ich mal wieder abnehmen wollten, gingen wir im Wald joggen oder radelten durch das hügelige Umland. Zur Belohnung für die verlorenen Pfunde bummelten wir durch die Stadt, und hin und wieder kauften wir uns auch etwas. Für modebewusste junge Frauen wie uns war die Mauer gerade zur rechten Zeit gefallen.
    Das Theater, in dem der FKK trainierte, befand sich mitten in der Stadt. Freiberg liegt am Fuße des Erzgebirges. Die nächstgrößeren Städte sind Chemnitz und Dresden, aber das war schon fast eine Weltreise. Im Sommer ging ich mit Manu gern ins Schwimmbad. Wir sprangen ins Becken, dass es nur so spritzte, und natürlich standen wir viel zu nah am Rand, damit uns die Jungs hineinschubsten. Dann tauchten wir tief unter, und unsere Beine paddelten uns wieder nach oben. Wir kraulten um die Wette und schluckten vor Lachen literweise Chlorwasser.
    Das Leben war schön. Im Sommer vielleicht ein bisschen schöner als im Winter, dafür begann im Winter der Karneval, und das war das Schönste überhaupt. Auf der Bühne stehen, marschieren und die Beine hoch in die Luft werfen. Und tanzen. Und rennen. Und gehen. Einfach nur gehen. Zur Toilette zum Beispiel. Dazu braucht man Beine. Was bleibt übrig, wenn die Beine fehlen? Aber wer denkt schon an so was? Ich bestimmt nicht! Was sollte mir passieren? Ich war ein Glückskind!
    Mitten im Sommer geboren, am 5. Juli 1979, und von allem die Sahne abgeschöpft. Zehn Jahre lang DDR: viel Gemeinschaft und jede Menge Unternehmungen mit anderen zusammen, tolle Basteleien mit meinem Vati und sonnige Tage in unserem Schrebergarten. Nach dem Mauerfall dann alle Vorteile des Westens: Barbie-Puppen, ein Fahrrad, Fernsehen, schöne Kleider. Und endlich mal woanders hin in den Urlaub fahren als an die Ostsee – obwohl wir damit privilegiert gewesen waren. Jetzt flogen wir. Griechenland. Zypern. Das Meer war warm und blau, und ich blieb im Wasser, bis meine Haut schrumpelig wurde und meine Knie mit den saftigen Strauchtomaten um die Wette leuchteten.

Planwirtschaft
    Zwei Jahre nach der Hochzeit meiner Eltern erblickte ich das Licht der Welt. Als Wunschkind! Mein Vater arbeitete in Muldenhütten, einem Ortsteil von Freiberg, als Elektriker. Meine Mutter hatte studiert und arbeitete in der Staatsbank. Geschwister habe ich keine. Dafür hatte ich immer einen Wellensittich, und heute habe ich sogar mehrere in einer großen Voliere. Als kleines Kind wünschte ich mir Geschwister; als ich älter wurde, war ich froh, dass ich nicht ständig auf die Kleinen aufpassen musste wie einige meiner genervten Freundinnen, die ihre quengelnden Schwesterchen und Brüderchen immer im Schlepptau hatten.

Ein historischer Moment: Das erste Mal alleine stehen.
    Meine Mutter gab mich, wie das in der DDR üblich war, mit eineinhalb Jahren in die Krippe. Mir wurde erzählt, dass es mir dort gut gefallen hat. Ich erinnere mich vage an einen blauen Kipplastwagen, den ich unermüdlich über den Hof schob. Danach besuchte ich den Kindergarten, dann die Schule und den Hort. Was kann einem Einzelkind Besseres passieren, als in der Gesellschaft vieler Kinder aufzuwachsen! Ich konnte mich aber auch gut mit mir selbst beschäftigen. Spielsachen hatte ich nicht so viele, da meine Eltern eher sparsam wirtschafteten und bei jeder anstehenden Neuanschaffung gründlich überlegten, ob man sie wirklich brauchte. Da zog Spielzeug naturgemäß den Kürzeren. Puppen interessierten mich wenig. Erst später, als wir Zugriff auf Barbie hatten. Ich bevorzugte Autos. Unsere Verwandtschaft in Westberlin schickte hin und wieder ein Matchboxauto.
    Ganz in meinem Element war ich beim Basteln und Handwerken. Mit dem Holzbaukasten baute ich Garagen für meine Spielzeugautos und mit dem Elektro- und Metallbaukasten einen fahrtüchtigen Lkw. Mein Vater, ein begnadeter Bastler, half mir gern. Baukästen zählten übrigens nicht zum Spielzeug, sondern zu den wesentlichen Dingen – deshalb wurde hier nicht so streng gespart, was sicherlich auch an dem kleinen Jungen lag, der in meinem Vater
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher