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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
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auf dem in Rot Ich hab dich lieb gestickt stand. Bis heute schlafe ich mit Plüschtieren. Ich mag es gern, etwas Kleines im Arm zu haben.
    Meinen ersten Teddy halte ich noch immer in Ehren. Er ist rosa. Besser gesagt: Er war mal rosa. Meine Mutter besorgte ihn irgendwie »unterm Ladentisch«. Ein Teddybär war was Besonderes in der DDR, und meiner musste überallhin mit. Wegen ihm besuchte ich Oma und Opa väterlicherseits nicht gern, weil er anschließend so nach Rauch stank. Seine Arme waren wie geschaffen zum Tränentrocknen. Wenn die Arme nass waren, kamen die Beine dran, und auch die Ohren spendeten mir Trost. Manchmal war der Teddy klatschnass. In der Schule strickte ich einen Pullover für ihn. Unten ein ordentliches Bündchen, zwei rechts, zwei links, dann weiter mit einer Reihe rechts und einer links und oben noch eine Kordel für den Kragen, die mir meine Oma drehte. Wegen der starken Belastung, die mein Teddy aushalten musste, wurde er mehrfach operiert. Das Nähen übernahm meine Mutter. Die Narben unter seinem linken Arm und am Rücken erinnern mich noch heute daran. Leider wusch meine Mutter ihn auch und hängte ihn an den Ohren an der Wäscheleine auf. Das fand ich furchtbar. Das tat ihm doch weh!

Freiheit für die Füße
    Die neuen Azubis wurden zur Festspielzeit ins kalte Wasser geworfen. Wir hatten keine Ahnung von Gastronomie und sollten abends trotzdem im gerammelt vollen Restaurant mithelfen, sogar servieren, wenn mal Not am Mann war – und das war zu dieser Zeit ständig. Solche Situationen hasse ich. Und ich liebe sie. Zuerst denke ich: Das schaffe ich nie. Hoffentlich ist es bald vorbei. Dann überwinde ich mich, lege los, habe Spaß, und ich kriege gar nicht genug davon. Spät nachts fiel ich wie ein Stein ins Bett und schlief sofort ein. Das war ein deutlich anderes Leben als in der Schule! Das war richtig Arbeit.
    Meine Füße schmerzten höllisch. Über Gesundheitsschuhe hatte ich noch nie nachgedacht, obwohl ich mir über Schuhe natürlich schon oft Gedanken gemacht hatte. Im Hotel hatte irgendjemand zu uns neuen Azubis gesagt: »Besorgt euch schwarze Schuhe.«
    Also kaufte ich mir schwarze Schuhe – billige natürlich, finanziell konnte ich mir keine Sprünge erlauben. Und das musste ich nun büßen, denn meine Füße schmerzten so sehr, wie ich ihnen das nie zugetraut hätte. Im Nachhinein kam es mir manchmal fast so vor, als hätten sie sich damit eindrucksvoll von mir verabschiedet. Sobald ich das Hotel verließ, riss ich mir die Schuhe von meinen armen Füßen, lief barfuß und fuhr auch barfuß mit dem Auto nach Hause. Der weiße Nissan Micra war ein Geschenk meiner Eltern – das teuerste meines Lebens. Ohne Auto wäre ich gar nicht ins Hotel gelangt.
    Das Problem mit den Schuhen löste sich erst in dem Moment, in dem ich meine Füße nicht mehr spürte. Aber das war keine Freude, so oft ich mir auch gewünscht hatte, dass der Schmerz verschwindet. Bis dahin war ich den ganzen Tag auf den Füßen und rannte, rannte, rannte. In der Ausbildung zur Hotelfachfrau sollte ich drei Abteilungen durchlaufen. Das Restaurant, das Housekeeping und die Rezeption. Auf die Rezeption freute ich mich am meisten, und diese Aussicht half mir, so manch harten Tag inklusive Überstunden durchzustehen.
    Zu Beginn wurde ich im Restaurant eingesetzt und hetzte kilometerweit von der Küche ins Restaurant. Eindecken, begrüßen, Bestellungen aufnehmen, Getränke raus, Bestellungen, servieren, Sonderwünsche, abtragen. Wenn ich nicht lief, stand ich hinter der Theke und kümmerte mich um die Getränke. Das war auch nicht besser für die Füße. Hinsetzen konnte ich mich nur auf der Toilette. In meiner Anfangszeit ging ich öfter als ich musste, denn so einen Trubel war ich von meiner gemütlichen Schulzeit, wo ich den ganzen Tag entspannt in meiner Bank saß, nicht gewöhnt. Doch trotz der Erschöpfung am Abend kam es mir nie in den Sinn, die Lehre abzubrechen. Was ich anfange, bringe ich auch zu Ende.
    »Und wie war es heute?«, fragte Andi am Telefon.
    »Es wird immer besser«, erwiderte ich. »Wenn ich doch bloß öfter sitzen könnte!«
    Bald würde ich so viel sitzen können, wie ich es mir in meinen, schlimmsten Träumen nicht vorgestellt hätte.

Glück auf 7,5 Quadratmetern
    Andi war erst einmal für drei Tage bei mir gewesen – nun kam er mit einem Rucksack voller Zeit: drei Wochen! 15 Quadratmeter geteilt durch zwei macht 7,5. Ich würde mich verkleinern unter das Maß meines
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