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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels
Autoren: Tracy Guzeman
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wegziehen würde, war Finch unerträglich. Hilf mir, Claire . Er vergrub das Gesicht in den gestärkten Bettlaken und betete inbrünstig darum, dass ihre Stimme nicht ausgerechnet jetzt für immer entschwinden würde, wie ein Stern, der aus dem dunklen Nachthimmel ins schweigende Nichts gleitet.
    Ihr Atem streifte seine Wange. Es tut mir weh, dich in dieser Verfassung zu sehen .
    Was soll ich tun?
    Schweigen. Jeder Tag, den er ohne sie verlebte, war wie ein dumpfer Schlag gegen sein Herz. Was hast du zu Alice gesagt, als sie dich vorhin nach Natalie gefragt hat? Ich sage dir jetzt dasselbe. Stephen ist erwachsen. Er wird seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen und seine eigenen Urteile über alle Beteiligten fällen.
    Aber es wird ihn verletzen.
    Ja. Aber es wird ihn auch heilen. Er hat mehr Verwandte, als er glaubte. Eine Schwester und deren Mutter. Und den Mann, den diese Mutter liebt, und den Neffen dieses Mannes, und die Frau, die für sie alle sorgt. Und dich, Denny. Bist du nicht sein Freund?
    Das ist nicht dasselbe.
    Sie schnaubte verächtlich, und ihre Haare kitzelten sein Ohr. Ach nein? Schlaf jetzt, du dummer alter Esel. Du hast dich völlig überanstrengt. Du wirst einiges für deine Fitness tun müssen, wenn du jemals mein Enkelkind auf deinen störrischen Schultern herumtragen willst .
    Stephen war zu aufgedreht, um zu schlafen. Er zog die Fotos von der Kamera auf den Laptop, schickte sie eilig ans Labor und schusterte die Mail an Cranston zusammen. Auf die Gefahr hin, Finch, den er bisher immer mit ein paar Schmeicheleien hatte begütigen können, wütend zu machen, schickte er Mrs. Blankenship eine Auswahl Fotos, mit der Bitte, sie auszudrucken und so bald wie möglich Bayber zu zeigen: Agnete im Hof neben einer ihrer Skulp turen Alice und Agnete unter dem Gemälde und, aus einer Laune heraus, um Bayber zu zeigen, dass seine Tochter die Männer, die er mit der Suche nach ihnen beauftragt hatte, nicht unsympathisch fand, auch das Foto, auf dem er mit Agnete vor dem Kamin saß. Danach streckte er sich auf dem Bett aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte auf die niedrigen Deckenbalken. Wo steckte nur die dritte Tafel?
    Alice und Agnete behaupteten einhellig, die fehlende Tafel nie gesehen zu haben, und es gab keinen Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln. Nachdem er und Finch nun die zweite Tafel kannten, war Stephen davon überzeugt, dass die dritte eine schwangere Alice zeigte, denn das Bild von Natalie und Agnete ähnelte dem zweiten Foto, das Natalie an Bayber geschickt hatte.
    Natalie war der Dreh- und Angelpunkt, auf den alles zustrebte. Stephen legte den Arm über die Augen und konzentrierte sich auf sie, versuchte, sich in ihre Gedanken einzuschleichen. Sie war clever genug, den Wert des Gemäldes zu kennen, und hätte es wohl kaum weggeworfen. Schon bei der Vorstellung lief Stephen ein Schauer über den Rücken: ein ruinierter, aufgeschlitzter Bayber auf einer Müll halde oder in irgendeinem Hinterhof, in einem noch schwe lenden Rahmen bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Nein. Sie war schlauer gewesen. Es hätte ihr Spaß gemacht, das Bild heimlich zu behalten, denn dann hätten nur Thomas und sie von seiner Existenz gewusst. Noch eine Gemeinsamkeit. Noch ein Geheimnis, das Alice nicht teilte.
    Wenn sie es also nicht entsorgt hatte, musste es irgendwo lagern. Versichern konnte sie es nicht, ohne dass seine Existenz publik wurde. Finch konnte sich nur zwei Möglichkeiten vorstellen: George Reston junior oder die Edells. Zwar wünschte er sich, es läge bei den vergesslichen und leicht beschränkten Edells, aber viel wahrscheinlicher – und unangenehmer – war die andere Alternative: Natalie hatte George angewiesen, das Gemälde zu behalten. Wenn George erfuhr, dass Natalie tot war, würde er das Gemälde so schnell wie möglich verkaufen, dessen war sich Stephen sicher. Bei der Vorstellung, dass ein anderer Sachverständiger bei einem anderen Auktionshaus genau in diesem Moment einen Katalogtext verfasste, drehte sich Stephen der Magen um, und in sein Gehirn bohrten sich gleißende Lichtspiralen. Er und Finch mussten das Bild finden, bevor es ein anderer fand.
    Er blinzelte in Richtung Nachttischlampe und tastete nach dem Schalter. Dann schleppte er sich ins Badezimmer und holte ein feuchtes Handtuch für seinen Kopf. Auf dem Rückweg ins Bett schaltete er den Thermostat herunter und wartete, bis der Ventilator aufhörte, zu sirren und heiße Luft ins Zimmer zu blasen. Dann kroch er
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