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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht
Autoren: Dean Koontz
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Strategie zurechtlegte, wurde Michael klar, dass die Frankenstein-Geschichte zwar eine Büchse Frühstücksfleisch zu sein schien, er sich aber so begierig auf sie gestürzt hatte, als hätte man ihm Filet mignon vorgesetzt.
    In der Lagerhalle dröhnte die Pumpgun. Sofort darauf dröhnte sie wieder.
    Michael steckte eine Hand in seine Jackentasche und tastete nach den Ersatzpatronen für die Schrotflinte. Er hatte vergessen, sie Carson zu geben. Sie hatte nur eine Patrone in der Kammer und drei im Magazin. Jetzt hatte sie nur noch zwei Stück übrig.
    Wieder dröhnte ein Schuss aus der Pumpgun.
    Sie hatte nur noch einen Schuss und keine Pistole für Notfälle.
    Sein Plan, Harker auf der Laderampe zu erwarten, war jetzt nicht mehr durchführbar.
    Michael sah nach, ob sich die Tür öffnen ließ. Sie war natürlich abgeschlossen, aber noch schlimmer war, dass sie aus Panzerstahl und mit drei Schlössern dagegen gesichert war, dass sich jemand gewaltsam Einlass verschaffte.
    Als er eine Bewegung hinter sich wahrnahm, drehte er sich erschrocken um und sah Deucalion neben sich – riesig, tätowiert, eine Totemfigur im gespenstischen Licht der Blitze.
    »Wo zum Teufel …«
    »Von Schlössern verstehe ich etwas«, fiel ihm Deucalion ins Wort.
    Statt den Kunstgriff anzuwenden, den seine Worte erwarten ließen, packte der riesige Mann den Türgriff und gab ihm einen so festen Ruck, dass alle drei Schlösser aus dem
Stahlrahmen gerissen wurden und gemartertes Metall knallte, krachte und kreischte, und dann warf er die verbogene Tür auf die Laderampe.
    »Was zum Teufel «, fragte Michael, »war das?«
    »Widerrechtliches Betreten«, sagte Deucalion und verschwand in dem Lagerhaus.

94
    Als Michael Deucalion in die Lagerhalle folgte, war der Riese nicht da. Was auch immer er sein mochte – der Typ gab dem Wort unfassbar einen völlig neuen Sinn.
    Wenn er nach Carson gerufen hätte, wäre Harker gewarnt gewesen. Außerdem war das Unwetter hier drinnen lauter als draußen, nahezu ohrenbetäubend: Der Regen trommelte in Höchstlautstärke auf das Wellblechdach.
    Kisten verschiedener Größe, Fässer und Würfel eingeschweißter Waren bildeten ein Labyrinth von erschreckenden Dimensionen. Michael zögerte nur kurz, bevor er sich auf die Suche nach dem Minotaurus machte.
    Er fand Hunderte von hermetisch versiegelten Zweihundertlitertrommeln Vitaminkapseln en gros, Kisten mit Maschinenbauteilen, japanische Audio-Video-Geräte, Kartons mit Sportlerbedarf – und einen menschenleeren Gang nach dem anderen.
    Frustration staute sich in ihm an, bis er mit dem Gedanken spielte, vielleicht, bloß um Dampf abzulassen, ein paar Kisten zu zerschießen, die angeblich Kung-Fu-Figuren enthielten. Wären es niedliche kleine Dinosaurierfigürchen gewesen, hätte er diesem Impuls wahrscheinlich nachgegeben.

    Über seinem Kopf ertönte jetzt lauter als der Regen ein Geräusch, als ob jemand über die gestapelten Waren rannte. Die Kisten und Fässer auf der rechten Seite des Gangs wackelten und quietschten und stießen aneinander.
    Als Michael aufblickte, sah er etwas, das Harker und doch nicht Harker war, eine gekrümmte, verzerrte und groteske Gestalt, die andeutungsweise menschlich war, aber einen missgestalteten Rumpf und zu viele Gliedmaßen hatte und oben auf der Kistenwand auf ihn zukam. Vielleicht spielten die Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegte, und die Muster aus Licht und Schatten dem Auge Streiche. Vielleicht war dieses Wesen überhaupt nicht monströs. Vielleicht war es nichts weiter als der widerliche alte Jonathan, und vielleicht war Michael derart außer sich vor Paranoia, dass er sich all diese dämonischen Einzelheiten nur einbildete .
    Er packte die Pistole mit beiden Händen und versuchte, auf Harker anzulegen, aber der Flüchtende bewegte sich zu schnell, und daher sagte sich Michael, die erste Möglichkeit, einen Schuss abzufeuern, würde sich dann ergeben, wenn Harker in der Luft war, um sich auf ihn zu stürzen. Aber im allerletzten Moment wechselte Harker die Richtung und sprang von den Stapeln rechts neben Michael über den drei Meter breiten Gang und landete auf der Kistenwand zu seiner Linken.
    Als er aufblickte, bekam Michael seinen Gegner trotz des extremen Blickwinkels klarer zu sehen. Jetzt konnte er sich nicht mehr an die Hoffnung klammern, er hätte sich Harkers groteske Verwandlung nur eingebildet. Exakte Einzelheiten des Anblicks, der sich ihm bot, hätte er nicht beschwören können, aber Johnny war ganz
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