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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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keiner der Anwesenden besonders ausgeruht aus. Das halbe Dutzend Leute, das sich um Rhyme drängte, hatte während der letzten vierundzwanzig Stunden praktisch in dieser außergewöhnlichen Kommandostelle kampiert dem Wohnzimmer von Rhymes Haus am Central Park West, das einst ein viktorianischer Salon gewesen war, inzwischen jedoch eher einem forensischen Labor ähnelte, zum Bersten vollgestopft mit Tischen, technischen Geräten, Computern, Chemikalien, Leitungen und Hunderten von Fachbüchern und - Zeitschriften.
    Dem Team gehörten sowohl Bundesbeamte als auch Angehörige der lokalen Dienststellen an. Zu Letzteren zählte Lieutenant Lon Sellitto vom Morddezernat der New Yorker Polizei, der noch zerknitterter als Dellray und zudem wesentlich stämmiger war. (Er war erst kürzlich zu seiner Freundin nach Brooklyn gezogen - einer begnadeten Köchin, wie der Cop mit wehmütigem Stolz verkündete.) Begleitet wurde er von Eddie Deng, einem jungen sino-amerikanischen Detective aus dem Fünften Revier des New York Police Department, zu dessen Bezirk auch Chinatown gehörte. Deng war von athletischer Statur und auffallend elegant, einschließlich einer Armani-Brille und einer schwarzen Igelfrisur. Man hatte ihn Sellitto vorübergehend als Mitarbeiter zugewiesen; Roland Bell, der eigentliche Partner des massigen Lieutenants, war vor einer Woche mit seinen beiden Söhnen zu einem Familientreffen ins heimatliche North Carolina gefahren. Wie es der Zufall wollte, hatte er sich dort mit einer ortsansässigen Polizistin namens Lucy Kerr angefreundet und seinen Urlaub daraufhin um ein paar Tage verlängert.
    Zu den Bundesvertretern der Gruppe gehörte der Mittfünfziger Harold Peabody, ein mittlerer Beamter von birnenförmiger Gestalt und wachem Verstand, der in der New Yorker Zweigstelle des Immigration and Naturalization Service eine leitende Funktion innehatte. Wie alle Bürokraten, die sich dem Pensionsalter nähern, erzählte Peabody kaum etwas von sich, aber seine weitreichenden Kenntnisse über alle denkbaren Einwanderungsfragen zeugten von einer langjährigen und erfolgreichen Arbeit im Dienst der Behörde.
    Im Zuge der aktuellen Ermittlungen war er mehrfach mit Dellray aneinander geraten. Nach dem Zwischenfall mit der Golden Venture - bei dem zehn illegale Einwanderer ertranken, als das Schlepperschiff dieses Namens vor Brooklyn auf Grund lief - hatte der Präsident der Vereinigten Staaten angeordnet, dass für größere Fälle von Menschenschmuggel ab sofort nicht mehr der INS, sondern das FBI zuständig sein würde, unterstützt durch die CIA. Die Einwanderungsbehörde kannte sich auf dem Gebiet der Schlangenköpfe und ihrer Schlepperaktivitäten sehr viel besser aus als das FBI und war nicht im Geringsten erfreut darüber, die Zuständigkeit an andere Behörden abzutreten - vor allem nicht an eine, die darauf bestand, Schulter an Schulter mit dem NYPD und, nun ja, alternativen Beratern wie Lincoln Rhyme zusammenzuarbeiten.
    Als Assistenten hatte Peabody einen jungen INS-Beamten namens Alan Coe mitgebracht, einen Mann Anfang dreißig mit kurz geschorenem, dunkelrotem Haar. Auch Coe gab sich verschlossen, war einerseits tatkräftig, andererseits aber mürrisch und launenhaft. Zu seinem Privatleben äußerte er sich überhaupt nicht, zu seinem Werdegang abgesehen von dem vorliegenden Fall - nur einsilbig. Rhyme hatte bemerkt, dass Coe Anzüge von der Stange - sie waren zwar halbwegs modisch, aber mit deutlichen Nähten gearbeitet - und staubige schwarze Schuhe mit dicken Gummisohlen trug, als wäre er ein Kaufhausdetektiv, der ständig Ladendieben hinterherhetzen musste. Coe wurde nur dann gesprächig, wenn er zu einem seiner spontanen - und langweiligen - Vorträge über das Übel der illegalen Einwanderung ansetzte. Wie dem auch sei, er arbeitete unermüdlich und war eifrig darauf bedacht, dem Geist das Handwerk zu legen.
    Darüber hinaus waren im Verlauf der letzten Woche noch diverse andere Untergebene beider Parteien ein und aus gegangen, um die unterschiedlichsten Botengänge zu erledigen.
    Ich komme mir vor wie in der verfluchten Grand Central Station, hatte Lincoln Rhyme in den vergangenen Tagen immer wieder gedacht - und gelegentlich auch laut ausgesprochen.
    Jetzt, um Viertel vor fünf an diesem stürmischen Morgen, fuhr er mit seinem batteriebetriebenen Rollstuhl, Modell Storm Arrow, durch den voll gestopften Raum zu der Wandtafel, auf der sie den aktuellen Status des Falls festhielten. Gegenwärtig hing dort
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