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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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sagte der Kapitän.
    »Nein, ich habe genau verfolgt, welche Strecke sie seit der ersten Sichtung zurückgelegt haben.«
    Kapitän Sen sah kurz zu dem Matrosen am Ruder der Fuzhou Dragon, der sich schwitzend abmühte, die mit einem Stück Schnur markierte Speiche des Rads immer genau senkrecht zu halten, was bedeutete, dass das Steuer exakt parallel zum Rumpf ausgerichtet war. Die Gashebel standen auf volle Kraft voraus. Falls der Geist mit seiner Einschätzung Recht behielt, blieb ihnen nicht mehr genug Zeit, den geschützten Hafen zu erreichen. Sie würden sich der felsigen Küste allenfalls bis auf einen knappen Kilometer nähern können - was dicht genug war, um die Schlauchboote zu Wasser zu lassen, die dann jedoch der erbarmungslosen See ausgesetzt wären.
    »Womit werden die Amerikaner bewaffnet sein?«, fragte der Geist.
    »Wissen Sie das denn nicht?«
    »Man hat mich noch nie abgefangen«, erwiderte der Geist. »Reden Sie schon.«
    Bisher hatte Sen es zweimal erlebt, dass Schiffe unter seinem Kommando angehalten und geentert wurden - zum Glück auf völlig legalen Reisen und nicht während seiner Emigrantentransporte für die Schlangenköpfe. Doch die Erfahrung war trotzdem alles andere als angenehm gewesen. Ein Dutzend bewaffnete Beamten der Küstenwache hatten sich an Bord verteilt, derweil Sen und die Mannschaft von Deck des anderen Boots aus mit einem zweiläufigen Maschinengewehr in Schach gehalten worden waren. Außerdem hatte es dort ein kleines Geschütz gegeben.
    Er verriet dem Geist, womit sie rechnen mussten.
    Der Mann nickte. »Wir sollten die verschiedenen Alternativen überdenken.«
    »Was für Alternativen?«, fragte der Kapitän. »Sie denken doch nicht etwa daran, einen Kampf zu riskieren, oder? Nein, das werde ich nicht zulassen.«
    Aber der Schlangenkopf reagierte nicht. Er blieb am Radar stehen und starrte auf den Schirm.
    Der Mann wirkte absolut ruhig, wenngleich der Kapitän vermutete, dass er innerlich vor Wut kochte. Keiner der Schlangenköpfe, mit denen Sen bislang zusammengearbeitet hatte, hatte so viele Vorkehrungen getroffen, um eine mögliche Entdeckung und Gefangennahme zu vermeiden, wie der Geist auf dieser Fahrt. Die zwei Dutzend Emigranten hatten sich in einem leeren Lagerhaus am Rande Fuzhous einfinden und dort zwei Tage unter der Aufsicht eines Handlangers des Geists - eines »kleinen Schlangenkopfs« - ausharren müssen. Dann hatte der Mann die Chinesen in eine gecharterte Tupolev 154 verfrachtet, die zu einem verlassenen Militärflugplatz in der Nähe des russischen Sankt Petersburg geflogen war. Dort mussten die Leute in einen Schiffscontainer umsteigen, wurden 120 Kilometer nach Wyborg gefahren und an Bord der Fuzhou Dragon gebracht, die erst tags zuvor in den russischen Hafen eingelaufen war. Die Zolldokumente und das Ladungsverzeichnis hatte Sen höchstpersönlich und peinlich genau ausgefüllt - alles streng nach Vorschrift, um keinen Verdacht zu erregen. Der Geist war erst in letzter Minute zu ihnen gestoßen, und das Schiff hatte planmäßig abgelegt. Nach Ostsee, Nordsee und dem englischen Kanal hatte die Dragon dann in der Keltischen See bei 49° nördlicher Breite und 7° westlicher Länge den Ausgangspunkt der berühmten Transatlantikrouten erreicht und südwestlichen Kurs nach Long Island, New York, eingeschlagen.
    Genau genommen hätte nichts an dieser Fahrt das Misstrauen der amerikanischen Behörden wecken dürfen. »Wie hat die Küstenwache das angestellt?«, fragte der Kapitän.
    »Was denn?«, entgegnete der Geist zerstreut.
    »Uns gefunden. Wie haben sie das geschafft? Es ist völlig unmöglich.«
    Der Geist richtete sich auf und trat hinaus in den tobenden Sturm. »Wer weiß?«, rief er über die Schulter zurück. »Vielleicht war es Zauberei.«
     
     
    ..Zwei
    »Wir sind ihnen dicht auf den Fersen, Lincoln. Das Boot hält auf die Küste zu, aber wird es sie auch erreichen? O nein, Sir, auf gar keinen Fall. Moment, müsste ich es nicht eigentlich ein >Schiff< nennen? Doch, müsste ich. Es ist zu groß für ein Boot.«
    »Keine Ahnung«, sagte Lincoln Rhyme geistesabwesend zu Fred Dellray. »Ich bin weiß Gott nicht oft auf dem Wasser unterwegs.«
    Bei der Jagd auf den Geist fungierte der hoch aufgeschossene, schlaksige FBI-Agent Dellray als leitender Vertreter der Bundesbehörden. Weder sein kanariengelbes Hemd noch der schwarze Anzug, dessen Farbe der schimmernden Haut des Mannes entsprach, waren in letzter Zeit gebügelt worden - allerdings sah
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