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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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doch überhaupt nicht aus.«
    »Wir haben schon alles ausprobiert, Lincoln, aber leider ohne Erfolg«, sagte der FBI-Agent. »Uns liegen keinerlei persönliche Informationen über den Mann vor, keine guten Fotos, keine Fingerabdrücke. Rein gar nichts. Abgesehen davon.« Er nickte in Richtung des Aktenkoffers.
    Rhyme warf einen skeptischen Blick darauf. »Und wohin in Russland ist er geflogen? Können Sie mir eine Stadt nennen? Einen Staat, eine Provinz oder wie auch immer die da drüben organisiert sind? Soweit ich weiß, ist das ein ziemlich großes Land.«
    Sellitto hob als Antwort lediglich eine Augenbraue, was zu besagen schien: Wir haben nicht die geringste Ahnung.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann, aber erwarten Sie bitte keine Wunder.«
    Zwei Tage später hatte Rhyme sie alle wieder zu sich gebeten. Thom reichte Agent Coe den Aktenkoffer.
    »War etwas Hilfreiches dabei?«, fragte der junge Mann.
    »Nein«, entgegnete Rhyme vergnügt.
    »Mist«, murmelte Dellray. »Da haben wir wohl Pech gehabt.«
    Das reichte Lincoln Rhyme als Stichwort. Er lehnte den Kopf auf das bequeme Kissen zurück, das Thom an dem Rollstuhl befestigt hatte, und begann sogleich mit seinen Ausführungen.
    »Der Geist und zirka zwanzig bis dreißig illegale chinesische Auswanderer halten sich an Bord eines Schiffs namens Fuzhou Dragon auf, Heimathafen Fuzhou, Provinz Fujian, China. Es handelt sich um ein zweiundsiebzig Meter langes Frachtschiff mit Laderaum und Containerdeck, angetrieben durch zwei Dieselmotoren. Der sechsundfünfzigjährige Kapitän heißt Sen Zijun - Sen ist dabei der Nachname - und verfügt über eine siebenköpfige Besatzung. Die Dragon ist vor vierzehn Tagen um acht Uhr fünfundvierzig morgens aus dem russischen Hafen von Wyborg ausgelaufen und befindet sich gegenwärtig - das ist jetzt eine Schätzung - knapp fünfhundert Kilometer vor der Küste von New York. Ihr Ziel ist der Hafen von Brooklyn.«
    »Wie, zum Teufel, haben Sie das denn herausgefunden?«, rief Coe verblüfft. Sogar Sellitto, der an Rhymes deduktive Fähigkeiten gewöhnt war, lachte unwillkürlich auf.
    »Ganz einfach. Zuerst mal bin ich davon ausgegangen, dass diese Leute von Osten nach Westen fahren würden - andernfalls hätten sie auch direkt von China aus aufbrechen können. Ein Freund von mir arbeitet bei der Moskauer Polizei - ein Kriminaltechniker, ich habe mit ihm zusammen einige Aufsätze verfasst. Der weltweit beste Experte für Bodenproben, nebenbei bemerkt. Ich habe ihn gebeten, sich mit den Hafenmeistereien der westrussischen Seehäfen in Verbindung zu setzen. Er hat seine Beziehungen spielen lassen und die Ladungsverzeichnisse sämtlicher chinesischer Schiffe besorgt, die in den letzten drei Wochen dort ausgelaufen sind. Es hat ein paar Stunden gedauert, die Unterlagen mit ihm durchzugehen. Ach, übrigens, Sie können sich schon mal darauf einstellen, die immense Telefonrechnung zu begleichen. Und ich habe ihm gesagt, er soll Ihnen auch die Übersetzung berechnen. Ich an seiner Stelle würde das tun. Wie auch immer, wir haben festgestellt, dass nur ein einziges Schiff genügend Treibstoff für eine dreizehntausend Kilometer lange Reise an Bord genommen hat, obwohl die Strecke laut der Dokumente nur sechseinhalbtausend Kilometer betragen sollte. Dreizehntausend Kilometer entsprechen einer Fahrt von Wyborg nach New York und zurück ins englische Southampton, um dort erneut zu tanken. In Brooklyn wurde kein Anlegeplatz reserviert. Man hat vor, den Geist und die Emigranten abzusetzen und sofort wieder nach Europa zurückzufahren.«
    »Vielleicht ist denen nur der Treibstoff in New York zu teuer«, warf Dellray ein.
    Rhyme zuckte die Achseln - eine der wenigen beiläufigen Gesten, die sein Körper ihm noch gestattete. »Alles in New York ist zu teuer«, lautete sein mürrischer Kommentar. »Aber da ist noch etwas: Das Ladeverzeichnis der Dragon besagt, dass sie Industriemaschinen nach Amerika transportiert. In den Papieren muss der aktuelle Tiefgang des Schiffs vermerkt werden, um sicherzustellen, dass der Rumpf in einem zu flachen Hafenbecken nicht auf Grund läuft. Der Tiefgang der Dragon wurde mit drei Metern angegeben, wohingegen ein voll beladenes Schiff dieser Größe auf wenigstens siebeneinhalb Meter kommen dürfte. Demnach hatte sie überhaupt keine Ladung an Bord, abgesehen von dem Geist und den Emigranten. Ich gehe von zwanzig bis dreißig Leuten aus, weil die Dragon entsprechend viel Trinkwasser und Proviant aufgenommen hat,
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