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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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Amtssprache Chinas.
    NAMEN. Im Gegensatz zu amerikanischen oder europäischen Gepflogenheiten werden chinesische Namen in umgekehrter Reihenfolge genannt. Heißt jemand beispielsweise Li Kangmei, so ist Li der Familienname und Kangmei der Vorname. Manche Bürger aus den städtischen Regionen des Landes sowie Chinesen, die sich den Vereinigten Staaten oder anderen westlichen Kulturen eng verbunden fühlen, nehmen mitunter einen westlichen Rufnamen an, den sie dann zusätzlich zu oder anstelle ihres chinesischen Vornamens benutzen. In einem solchen Fall steht der anglisierte Name vor dem Familiennamen (zum Beispiel Jerry Tang).
    J.D.
     
     
    ERSTER TEIL
    DER SCHLANGENKOPF
    Dienstag, von der Stunde des Tigers, 4.30 Uhr, bis zur Stunde des Drachen, 8.00 Uhr.
    Das Wort Wei-Chi  besteht aus zwei chinesischen Begriffen - Wei, was »einkreisen« bedeutet, und Chi, das sich mit »Spielfigur« übersetzen lässt. Da das Spiel einen symbolischen Überlebenskampf darstellt, kann man es auch das »Kriegsspiel« nennen.
    Danielle Pecorini und Tong Shu, The Game of Wei-Chi 
     
    ..Eins
    Sie waren die Verschwundenen, die vom Unglück Verfolgten.
    Für die Menschenschmuggler - die »Schlangenköpfe« -, die sie wie Paletten verdorbener Ware um die halbe Welt beförderten, waren sie jujia: Ferkel.
    Für die Beamten der amerikanischen Einwanderungsbehörde, die ihre Schiffe aufbrachten, sie verhafteten und abschoben, waren sie Illegale.
    Sie waren die Hoffnungsvollen, die Heimat, Familie und eine tausendjährige Ahnenreihe gegen die illusionslose Gewissheit eintauschten, dass ihnen gefährliche und arbeitsreiche Jahre bevorstanden.
    Die nur eine winzige Chance hatten, in einem Land sesshaft zu werden, das ihren Familien Wohlstand versprach, weil dort, so hieß es, Freiheit, Geld und Zufriedenheit so alltäglich wie Sonnenschein und Regen seien.
    Sie waren seine kostbare Fracht.
    Und nun musste Kapitän Sen Zijun, die Beine gegen die tosenden, fünf Meter hohen Wogen fest auf den Boden gestemmt, sich von der Brücke zwei Decks nach unten in den düsteren Laderaum vorkämpfen, um ihnen die schlimme Nachricht zu überbringen, dass die wochenlange beschwerliche Reise womöglich ganz umsonst gewesen war.
    Es war kurz vor Tagesanbruch an einem Dienstag im August. Der stämmige Seemann, der seinen Kopf kahl geschoren hatte und stolz einen kunstvoll gezwirbelten, buschigen Schnurrbart zur Schau trug, schob sich an den leeren Containern vorbei, die zur Tarnung auf dem Deck der zweiundsiebzig Meter langen Fuzhou Dragon verzurrt waren, und öffnete die schwere Stahlluke zum Frachtraum. In dem spartanischen, fensterlosen Raum kauerten zwei Dutzend Menschen. Unter den billigen Feldbetten trieben Abfälle und Kinderbauklötze aus Plastik im flachen Bilgenwasser.
    Trotz des starken Seegangs stieg Kapitän Sen, der dreißig Jahre Erfahrung auf den Weltmeeren besaß, die steile Metalltreppe hinunter, ohne die Handläufe zu benutzen, und trat in die Mitte des Laderaums.
    Ein Blick auf die Kohlendioxidanzeige verriet keine besorgniserregende Konzentration, obwohl die Luft nach Dieselkraftstoff und nach Menschen stank, die zwei Wochen auf engstem Raum ausgeharrt hatten.
    Im Gegensatz zu den Kapitänen und Mannschaften vieler anderer »Eimer« - wie die Schlepperschiffe im Allgemeinen genannt wurden -, die ihre Passagiere bestenfalls ignorierten, sie manchmal jedoch sogar schlugen oder vergewaltigten, fügte Sen den Leuten keinen Schaden zu, sondern war fest davon überzeugt, ein gutes Werk zu tun: Er half diesen Familien aus einer schwierigen Lage, an deren Ende zwar kein sicherer Reichtum, aber immerhin die Aussicht auf ein glückliches Leben in Amerika stand, das auf Chinesisch Mei Guo hieß: »Schönes Land«.
    Auf dieser Überfahrt allerdings schienen die meisten der Emigranten ihm nicht zu trauen. Das war verständlich, denn sie nahmen an, er mache gemeinsame Sache mit dem Schlangenkopf, der die Dragon gechartert hatte: Kwan Ang, eher bekannt unter seinem Spitznamen Gui, der Geist. Da Kwan als überaus gewalttätig galt, hatten die Passagiere fast jedes Gesprächsangebot des Kapitäns ausgeschlagen. Nur mit einem der Männer hatte Sen sich ein wenig anfreunden können. Chang Jingerzi - der den westlichen Namen Sam Chang vorzog - war fünfundvierzig Jahre alt und hatte früher als Universitätsprofessor in einem Vorort der großen südostchinesischen Hafenstadt Fuzhou gelebt. Er nahm seine gesamte Familie nach Amerika mit: seine Frau, zwei Söhne
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