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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk
Autoren: Wolfgang Borchert
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einen aktuellen Zeitbezug: Auf Befehl der Militärregierung wurde das Helgengerüst 1947 gesprengt, anschließend mit der vollständigen Demontage der Werft begonnen.
    Das Werk des Autors Borchert beginnt nach dem Krieg,gelegentlichen Veröffentlichungen von Gedichten in der Lokalpresse zum Trotz. Ein einziges Mal war es ihm gelungen, im «Simplicissimus» etwas unterzubringen. Als Schriftsteller konnte er sich nicht bezeichnen. (Das war übrigens auch die offizielle Lesart: Im von der Reichsschrifttumskammer herausgegebenen «Schriftsteller-Verzeichnis» von 1942 wurde Borchert aufgeführt mit dem Vermerk «von der Mitgliedschaft befreit», weil er sich nur in geringfügigem Umfang schriftstellerisch betätigte.) «Geschrieben habe ich früher für Hamburger Tageszeitungen und mal Gelegenheitsgedichte», teilte Borchert in einer biographischen Notiz mit. Beides wird hier dokumentiert: Sämtliche zu seinen Lebzeiten in Tageszeitungen gedruckten Gedichte wurden aufgenommen, auch wenn ihre literarische Qualität nur epigonale Züge aufweist und der gedankliche Inhalt oft konventionell, wenn nicht gar banal erscheint. Diese frühen Texte zeichnen sich nicht durch Originalität aus, sie zeigen noch keine eigene Handschrift. Unverkennbar wollte der junge Verseschmied mit den Gedichten bei Frauen renommieren. Gespür für Sprachmelodie und Rhythmus wird man ihm nicht absprechen können, doch die mit großer Geste und hohlem Pathos vorgetragenen Weisheiten waren durch keine Lebenserfahrung gedeckt. Der Jugendliche wollte sich gedruckt sehen, das Ergebnis waren Gedichte, die sich an Vorbildern wie Villon und Rilke orientierten (zeitweise unterzeichnete er mit «Wolff Maria Borchert»). Nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten waren es affirmative Texte, wobei es von Borchert kein Loblied auf Führer, Volk und Vaterland zu lesen gab, auch keine Durchhalteparolen, aber doch nach der Bombardierung Hamburgs einen lyrischen Appell zum Wiederaufbau der zerstörten Stadt. Die meisten dieser Versuche schickte Borchert an Hugo Sieker, den Feuilleton-Redakteur des «Hamburger Anzeigers». DieZeitung druckte in der Nazi-Zeit unter Tarnnamen auch «Nichtarier» und verfolgte Autoren; man hielt Kontakt zu verfemten Künstlern wie Ernst Barlach, und Sieker rückte auch Gedichte des unbekannten Autors Borchert ins Blatt, als dieser im Gefängnis saß.
    Zuletzt bot Borchert seine Gedichte Anfang 1946 dem Rowohlt Verlag an, der aber nur an der Prosa interessiert war. Nach der Publikation von «Laterne, Mond und Sterne» stellte Borchert die Lyrik-Produktion ein, vernichtete alle seine Gedichte und unterband ihre weitere Veröffentlichung. Da er seine lyrischen Erzeugnisse als Beilage zu Briefen aber weit gestreut hatte, tauchten nach seinem Tod zahlreiche Gedichte auf, deren Druck in Publikationsorganen wie «Das Reich der Landfrau» Herta Borchert bereitwillig gestattete. Von diesen Gelegenheitsarbeiten bringt diese Ausgabe eine charakteristische Auswahl, die sich vornehmlich konzentriert auf jene Gedichte, die in späteren Sammelbänden Eingang fanden.
    Zum unveröffentlichten Frühwerk gehören auch drei dramatische Versuche, die der Pubertät des Autors zuzurechnen sind: Mit 17 Jahren schrieb Borchert die Tragödie «Yorick der Narr», ein Jahr später die Komödie «Käse» . (gemeinsam mit dem Schulfreund Günter Mackenthun) sowie das Drama «Granvella». Selbstbewusst charakterisierte er seine dramatischen Arbeiten in einem Schreiben Januar 1941: «Das erste war wüst, weil ich zu jung war, das zweite war staatsfeindlich, das dritte in 3 Tagen geschrieben und ebenfalls der heutigen Zeit contrair gestimmt.» Tatsächlich ist vor allem «Käse» interessant als unbekümmertes Zeugnis jugendlichen Oppositionsgeistes gegen das N S-Regime . Satirisch wird gegen die Welteroberungspläne des ebenso machtbesessenen wie kulturlosen Diktators Käsemeier zu Felde gezogen. Gerettet wird die Welt vor dem Despotendurch das beherzte Einschreiten einer Figur namens Wogü, dem die gesamte Geisteswelt inkl. Goethe und Hölderlin applaudiert. Mit dem Helden Wogü, der Name deutet schon darauf, brachten die Schulfreunde Wolfgang und Günter ihre eigenen Allmachtsphantasien ungeniert zu Papier. Alle drei Dramen sind keine frühen Geniestreiche: Der Autor hat sie nie wieder erwähnt und auch nicht aufgehoben. Gleichwohl sind die Texte erhalten geblieben. Als die Gestapo Borchert verhörte, vernichtete Mackenthun alle Exemplare von «Käse» – bis
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