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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk
Autoren: Wolfgang Borchert
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der Aufführung im Berliner Hebbel-Theater 1948, Regie Rudolf Noelte, sah Friedrich Luft in Borcherts Drama nur «ein selbstbesessenes Lamento» und kam zu dem Schluss: «Bleiben kann dergleichen nicht.» Er sollte sich irren.

    Den Ausgangspunkt für die erstaunliche Karriere Borcherts umwehte, was den Autor gewiss nicht gestört hat, ein gewisses Aroma von Großstadt-Provinz und Lokalpatriotismus. Die erste selbständige Publikation Borcherts war ein kleines Heft mit 14 Gedichten: «Laterne, Mond und Sterne», erschienen im Dezember 1946 im Verlag Hamburgische Bücherei, den Bernhard Meyer-Marwitz, mit der Vereinigung Niederdeutsches Hamburg eng verbunden, betrieb. Ebenfalls in der Hamburgischen Bücherei erschien 1947 der Erzählungsband «Die Hundeblume», während Rowohlt im selben Jahr das Stück «Draußen vor der Tür» brachte und den Prosaband «An diesem Dienstag», der wenige Wochen nach Borcherts Tod in die Buchhandlungen kam.
    Am 15. Februar 1948 kamen die beiden Verleger Ernst Rowohlt und Bernhard Meyer-Marwitz zusammen und verabredeten eine Ausgabe des «Gesamtwerks», in das die bei ihnen publizierten Bände sowie Texte aus dem Nachlass eingehen sollten. Es war ungewöhnlich, dass sich konkurrierende Verlagshäuser zu einer Gemeinschaftsausgabe zusammentaten: Der Band erschien 1949 unter dem Imprint beider Verlage, die sich auch Herstellungskosten und Gewinn teilten. Den Vertrieb übernahm Rowohlt, die Betreuung der Ausgabe besorgte Meyer-Marwitz, der ein umfangreiches, emphatisches Nachwort beisteuerte. Eine textkritische Ausgabe konnte das so kurz nach dem Tod des Dichters zusammengestellte, seitdem immer wieder unverändert nachgedruckte «Gesamtwerk» nicht sein.
    Die Überlieferungsgeschichte der Texte ist von der Zeit und den Lebensumständen des Autors geprägt. Wolfgang Borchert schrieb mit der Hand (oft, weil Papier knapp war, auf die freien Rückseiten von Briefen), sein Vater Fritz tippte die Texte in die Maschine – die Situation im Hause des kranken Dichters wird in der Geschichte «Die Professoren wissen auch nix» anschaulich geschildert. Von nur wenigen Texten gibt es Reinschriften in Borcherts Handschrift; eine solche Ausnahme ist die Erzählung «Nachts schlafen die Ratten doch», die Borchert als Geschenk für seinen Vater zum Geburtstag in ein Heft schrieb. Von einigen Prosaarbeiten – «Silberstriche», «Nasenbein» und «Adrianol» – sind aus der Korrespondenz mit Werner Lüning nur noch die Titel bekannt; die Texte müssen als verloren gelten. Sofern Typoskripte erhalten blieben, wurden sie für diese Ausgabe herangezogen. Erstdrucke in Tageszeitungen wurden zum Vergleich herangezogen, obwohl sie nur bedingt die Intentionen des Autors widerspiegeln. Die erste Veröffentlichung seiner ersten Erzählung, «Die Hundeblume» in der «Hamburger Freien Presse», löste beim Verfasser nicht nur Freude aus: «Zwei ergötzliche Linolschnitte machten die Kürzung auf die Hälfte auch nicht wieder gut», lautete sein Kommentar in einem Brief an Lüning. Borchert stand mit vielen Redaktionen in Kontakt, aber die Zweitverwertung überließ er der Presseagentur Paul Herzog und dem Feuilletondienst des Rowohlt Verlages, die die Tageszeitungen mit Abschriften seiner Prosa versorgten. Dort wurden, oft aus so banalen Gründen wie Platznot, Texte gekürzt oder mit neuen Überschriften versehen. Oder sie redigierten aus politischer Rücksichtnahme. Dafür ein Beispiel. In der Erzählung «Billbrook» wird ein Besatzungssoldat konfrontiert mit kriegsversehrten Deutschen. «Da ließ der Einbeinige ein Wort aus dem unbeweglichen Mund auf den grünschwarzenSchlick fallen. Und das Wort klatschte wie eine Ohrfeige.» Im Manuskript geht der Text weiter: «‹Schwein!› sagte der Einbeinige.» «Schwein», noch dreimal steht das Wort im (nur fragmentarisch erhaltenen) Typoskript, beim Druck – zuerst in der Zeitschrift «Karussell», danach im Erzählungsband «Die Hundeblume» – ist das böse Wort gegen den Besatzer konsequent eliminiert worden. Ob Borchert die Änderungen selbst vorgenommen hat oder Redakteure und Lektoren die Texte für den Druck einrichteten und der Autor dies lediglich akzeptiert hat, lässt sich mangels Unterlagen nicht entscheiden. Zwar war er offen für Kritik, räumte stets bescheiden ein, noch am Anfang zu sein, andererseits ließ er sich nicht beirren und verteidigte seine Texte vehement gegenüber Lüning und Aline Bußmann. So höflich und kompromissbereit dieser
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