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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Autoren: Adam Johnson
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Gewehrs – die Tonnen auf Bucs Stapler. »Hmm«, machte Kommandant Park.
    »Komm mal her, Kommandant Park«, rief der Geliebte Führer. »Du lachst dich tot.«
    Park grübelte eine weitere Sekunde über die Situation nach und rief hoch zu Buc: »Du bleibst schön hier!«
    Der Geliebte Führer rief wieder nach Park und lachte.
    »Na komm schon, Park! Hier ist etwas vonnöten, was nur du besitzt!«
    Park und Ga gingen auf den Geliebten Führer zu, während Brando immer noch an seiner Leine in die entgegengesetzte Richtung zog.
    »Angeblich sind Hunde ja besonders aggressive Tiere. Was meinst du?«, fragte Park.
    Ga antwortete: »Ich glaube, sie sind immer nur so gefährlich wie ihre Besitzer.«
    Sie kamen zu dem Gabelstapler, vor dem der Geliebte Führer mit dem Senator und Tommy stand. Jetzt traten auch Wanda und das Rudermädchen hinzu. Auf der Palette standen zwei Fässer und ein in Schrumpffolie verpackter Stapel Kartons.
    »Wie kann ich behilflich sein?«, erkundigte sich Park.
    »Es ist zu herrlich«, lachte der Geliebte Führer. »Einfach zu schön, um wahr zu sein! Wie es scheint, haben wir hier einen Karton, der aufgeschnitten werden muss.«
    Kommandant Park zog ein Kartonagenmesser aus der Tasche.
    »Was ist daran so lustig?«, fragte Tommy.
    Kommandant Park schnitt die Verklebung des Kartons mit dem Cutter auf.
    Park antwortete: »Dass ich das Kartonagenmesser noch nie für einen Karton benutzt habe.«
    Der Geliebte Führer konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.
    Im Karton befanden sich die Gesammelten Werke Kim Jong Ils in gebundener Ausgabe.
    Der Geliebte Führer schnappte sich eins der Bücher, klappte es auf und sog den Geruch nach Druckerschwärze tief und genüsslich ein.
    Das Rudermädchen nahm die Sonnenbrille ab. Ihre Augen wirkten, als wäre sie mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt. Durch halb geschlossene Lider betrachtete sie die Bücher; als sie sie erkannte, zeigte ihr Gesicht blankes Entsetzen. »Nein!«, stöhnte sie und sah aus, als müsste sie sich übergeben.
    Tommy zog den Deckel von einem Plastikfass ab und schöpfte eine Handvoll Reis heraus.
    »Das ist Rundkornreis«, stellte Tommy fest. »Ich dachte immer, Japan baut den Rundkornreis an und Korea nur Langkorn?«
    Wanda ahmte Dr. Songs Tonfall nach: »Die nordkoreanischen Reiskörner sind größten und dicksten der Welt.«
    Der Geliebte Führer merkte an ihrem Ton, dass sie etwas Beleidigendes gesagt hatte, aber er wusste nicht, was. »Ja, aber wo ist denn nun Sun Moon?«, fragte er Ga. »Schau nach, warum sie so lange braucht.«
    Um noch etwas Zeit zu schinden, sprach Ga den Senator an: »Hat Dr. Song nicht in Texas versprochen, dass der Geliebte Führer Ihnen eine persönliche Widmung in sein Werk schreiben würde?«
    Der Senator lächelte. »Das wäre eine gute Gelegenheit, den Füllfederhalter des Friedens auszuprobieren.«
    »Ich habe meine Bücher noch nie signiert«, erwiderte der Geliebte Führer geschmeichelt und misstrauisch zugleich. »Aber das ist wohl wirklich ein besonderer Anlass heute.«
    »Und Wanda«, sagte Ga. »Sie wollten doch auch ein Exemplar für Ihren Vater, richtig? Und Tommy, haben Sie nicht auch lautstark nach einer signierten Werkausgabe verlangt?«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass mir diese Ehre einmal zuteil würde«, erwiderte Tommy.
    Kommandant Park wandte sich schon wieder nach Bucs Gabelstapler um.
    Brando zerrte wie verrückt an der Leine.
    »Kommen Sie mit, Kommandant Park!«, rief Ga. »Sehen wir nach, ob bei Sun Moon alles in Ordnung ist.«
    Park drehte sich nicht zu ihm herum. »Gleich«, sagte er und schritt unbeirrt weiter auf Bucs Gabelstapler zu.
    Kommandant Ga sah, wie Buc das Lenkrad panisch umklammert hielt, wie sich die Gestalten in den Tonnen in derHitze und verbrauchten Luft wanden. Ga ging neben Brando in die Hocke. Er zog dem Hund die Leine vom Hals und hielt ihn am Nackenfell fest.
    »Kommandant Park – einen Augenblick!«, rief Ga.
    Park blieb stehen und sah sich um.
    »Fass!«, sagte Kommandant Ga zu ihm.
    »Fass?«, fragte Kommandant Park.
    Im selben Moment stürzte sich der Hund bereits auf ihn und schnappte nach seinem Arm.
    Der Senator fuhr herum und sah voller Grauen, wie einer seiner heißgeliebten Catahoulas den sehnigen Unterarm eines Mannes mit seinen Reißzähnen zerfetzte. Der Senator betrachtete seine Gastgeber mit einem taxierenden Blick – jetzt verstand er, dass es nichts gab, was in Nordkorea nicht irgendwann aggressiv und bösartig wurde.
    Das Rudermädchen
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