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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Autoren: Adam Johnson
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vollautomatische Traktoren-Fertigungsstraße, die im Museum für Sozialistischen Fortschritt ausgestellt war.
    Bei ihnen stand das Rudermädchen im goldenen Kleid. Schweigend stand sie neben Wanda, auf der Nase eine dickeSonnenbrille, hinter der ihre Augen nicht zu erkennen waren. Sie wirkte, als stehe sie komplett unter Drogen. Vielleicht hatte man sie auch an den Augen operiert, dachte Ga.
    Der Geliebte Führer kam, nun wieder lächelnd, auf Ga zu. »Wo ist unsere Sun Moon?«, fragte er.
    »Sie kennen Ihren Filmstar doch«, antwortete Ga. »Sie muss perfekt aussehen. Sie zupft so lange herum, bis alles richtig ist.«
    Der Geliebte Führer nickte – das war wohl wahr. »Wenn sie unserem Mannweib Lebewohl wünscht, sehen die Amerikaner wenigstens, wie schön Sun Moon wirklich ist. Wenn die beiden erst nebeneinanderstehen, wird es keinen Zweifel mehr geben, wer von beiden die Schönere ist. Wenigstens diese Befriedigung bleibt mir.«
    »Wann soll ich den Hund zurückgeben?«, fragte Ga.
    »Das wird der letzte Streich, Kommandant Ga. Dann zeigen wir’s ihnen!«
    Mehrere Gabelstapler rasten in Richtung Flugzeug-Laderampe an Tommy und dem Senator vorbei. Die beiden beobachteten fasziniert das seltsame Frachtgut, das da an ihnen vorbeifuhr – eine Tonne leuchtete im Vinalonblau der Arbeitsbrigaden-Overalls, eine andere war Alptraumbraun wie gegrillte Rinderrippchen. Als ein Gabelstapler mit mehreren Kompostklos darauf vorbeifuhr, wunderte Tommy sich doch: »Sagt mal, was für eine Art Hilfslieferung soll das denn werden?«
    »Was sagt der Amerikaner?«, wollte der Geliebte Führer von Ga wissen.
    Ga antwortete: »Sie sind neugierig, welche wunderbaren Hilfsgüter wir ihnen zur Verfügung stellen.«
    Der Geliebte Führer versprach dem Senator: »Ich versichere Ihnen, dass wir nur solche Artikel ausgewählt haben,die eine von sozialen Übeln geplagte Nation wie die Ihre dringend benötigt. Wünschen Sie eine Inspektion?«
    Tommy fragte den Senator: »Staplerinspektion gefällig?«
    Als der Senator zögerte, wies der Geliebte Führer Kommandant Park an, einen der Gabelstapler anzuhalten. Ga sah Genosse Buc um die wartenden Zuschauer herum auf sie zukommen, aber Park winkte zum Glück einen anderen Stapler heran. Der Fahrer tat jedoch, als hätte er nichts bemerkt, und fuhr einfach weiter, die Miene angstverzerrt. Park winkte einen anderen Fahrer zu sich, doch auch dieser schützte komplette Konzentration auf den Weg zum Flugzeug vor. »Dak-Ho«, brüllte Park ihm hinterher. »Ich weiß, dass du das bist! Ich weiß, dass du mich gehört hast!«
    Der Geliebte Führer lachte. Er rief Park zu: »Versuch doch mal, ihnen ein bisschen Honig um den Bart zu schmieren.«
    Kommandant Parks Gesichtsausdruck war schwer einzuordnen, aber als er dann Genosse Buc heranrief, setzte er seine Autorität durch. Und Ga wusste, dass Buc derjenige war, der anhalten würde.
    Keine zehn Meter entfernt brachte Genosse Buc seinen Stapler zum Stehen, Palette hoch in der Luft. Jeder, der sich die Mühe machte, dort hochzuschauen, musste sofort erkennen, dass sich menschliche Gestalten in den Tonnen bewegten.
    Kommandant Ga trat zum Senator und klopfte ihm kräftig auf den Rücken.
    Der Senator sah ihn seltsam an.
    Ga zeigte auf Bucs Gabelstapler. »Diese Palette mit Hilfslieferungen zu inspizieren wäre doch perfekt, nicht wahr ?«, fragte er den Senator. »Viel besser als der Inhalt von der da drüben, richtig ?«
    Der Senator brauchte einen Augenblick, bis er begriffenhatte. Er zeigte auf den anderen Stapler und fragte den Geliebten Führer: »Gibt es einen Grund, warum Sie uns nicht gestatten wollen, den da zu inspizieren?«
    Der Geliebte Führer lächelte nachsichtig. »Untersuchen Sie, was Sie wollen.«
    Als die Leute anfingen, auf den anderen Gabelstapler zuzugehen, den der Senator ausgesucht hatte, hob Brando die Nase in die Luft und bellte schwanzwedelnd den Stapler von Genosse Buc an.
    »Schon erledigt!«, rief Ga Buc zu. »Wir brauchen dich nicht mehr!«
    Kommandant Park betrachtete mit schiefgelegtem Kopf den bellenden Hund. »Nein, warte!«, rief Park Buc zu, der in eine andere Richtung starrte, damit er nicht erkannt wurde.
    Park kniete sich neben den Hund und sah ihn forschend an. Zu Ga sagte er: »Diese Tiere können angeblich alles Mögliche aufspüren. Sie sollen eine sehr gute Nase haben.« Park studierte die Haltung des Hundes, blickte dann zwischen den Hundeohren hindurch über die Schnauze und sah – wie im Fadenkreuz eines
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