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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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Verderben stürzt.
    Auch mit diesem Charakterzug Saccards korrigiert Zola das Bild von der Niederlage der Universelle als Folge eines gegnerischen Feldzugs Gundermanns. Schließlich hat Zola durch die ganze Darstellung der Katastrophe im zehnten Kapitel auch handlungsmäßig Saccards Legende von Gundermanns Verschwörung widerlegt. Rougon hat ihm seinen Schutz entzogen, Jantrou verfolgt seine eigenen Interessen, die Baronin Sandorff liefert ihn Gundermann aus, und Daigremont verrät ihn in der Börsenschlacht entgegen seiner Hilfezusage.
    Nimmt man all dies zusammen, so ist die Frage, nach Zolas eigener Meinung von der Rolle des »jüdischen« Kapitals klar beantwortet. Darüber hinaus hat er seine Meinung über die »question juive« auch zweimal expressiv verbis kundgetan. Als Saccard in dem Schlußgespräch mit Caroline in der Conciergerie wieder einmal eine ganze Flut antisemitischer Beschimpfungen losläßt, antwortet ihm Caroline ganz gelassen: »Für mich sind die Juden Menschen wie alle anderen. Wenn sie außerhalb der Gesellschaft stehen, so deshalb, weil man sie dahin gestellt hat.« Bedenkt man die Rolle, die Zola Caroline in dem Roman zugewiesen hat – sie ist ja gleichsam Zolas Sprachrohr –, so wiegt dieser letzte Satz schwer. Schon in den Vorarbeiten hieß es: »Ich möchte … irgend etwas, was die Kraft des Geldes zeigt noch über diese Frage der Juden hinaus, die
meiner Ansicht nach alles kleiner macht.
«
    Denn Zolas Anliegen zielt wahrlich höher. Die Rolle des Geldes in der modernen Gesellschaft zu zeigen, das war sein Anliegen. Damit war aber unweigerlich auch die Frage nach der bleibenden Gültigkeit des Gesellschaftsmodells selbst aufgeworfen, in dem das Geld eine so entscheidende Rolle spielt. Gesetzmäßig mußte Zola so den Gegenentwurf zu der von ihm dargestellten Welt des Kapitalismus einbauen, und er tat es in den Ideen und Reden von Sigismond Busch, dem weltfremden Träumer und todkranken Bruder des skrupellosen Wucherers Busch, an drei signifikanten Stellen des Romans.
    Diese drei Einblendungen sind gleichsam die Antithesen zu der in diesen Kapiteln ausgeführten Haupthandlung.
    Die erste Einblendung erfolgt gleich im ersten Kapitel, also schon in der Exposition. Nach dem Spaziergang um die Börse besucht Saccard Sigismond, der ihm auseinandersetzt, wie nach seiner Vorstellung die Ablösung der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft, dieser Welt des Geldes, deren Königspalast Saccard gerade besucht hat, durch die sozialistische erfolgen wird. Sigismonds Auffassung zufolge wird dies einfach »die Umwandlung des Privatkapitals, das vom Konkurrenzkampf lebt, in ein einheitliches soziales Kapital« sein. Der ständige Konzentrationsprozeß des Kapitals, der sich vor ihren Augen in der Gesellschaft vollziehe, bereite selbst den Boden für den »Kollektivismus« vor. Allerdings werde der ganze Prozeß noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, da es schwierig sei, den Menschen eine sie begeisternde Idee von dieser neuen Gesellschaft zu vermitteln.
    Schon hier gehen vielerlei Dinge durcheinander. Neben der richtigen Erkenntnis, daß Konkurrenzkampf und Profitstreben objektive Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft sind und durch gegenteilige subjektive Intentionen nicht aus der Welt geschafft werden können, steht die illusionäre Vorstellung über die Ablösung einer solchen Institution der Hochfinanz wie der Bank Gundermanns. Sigismond will sie Gundermann »abkaufen«. Die Nutznießung dieser unsinnigen Geldsumme werde bei den Erben von selbst zu ihrer Aufhebung führen.
    Die zweite Einblendung erfolgt im neunten Kapitel, als Kontrapunkt, zu Saccards Triumph an der Börse. In diesem Gespräch geht es um die unmittelbare Rolle des Geldes. Die Haupthandlung zeigt seine unumschränkte Macht. Saccard kann sich eine Welt ohne Geld in Form von Kapital überhaupt nicht vorstellen.
    Sigismond, der inzwischen das soeben in deutscher Sprache erschienene »Kapital« von Marx gelesen hat, versucht seine Vorstellungen zu widerlegen. Aber wiederum bleibt er gleichsam auf halbem Wege mit seinen Erklärungen stehen. Denn das eigentliche »Geheimnis« der kapitalistischen Produktion, die Frage der Erzeugung von Mehrwert, die schon im ersten Gespräch nebenbei anklang und auch in diesem anklingt, der Grund Widerspruch von gesellschaftlichem Charakter der Produktion und privater Aneignung, der Gegensatz zwischen »arm« und »reich«, nicht als abstrakter Gegensatz, nicht in der
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