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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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Interpretation und folgte damit nicht nur Bontoux, sondern auch der traditionellen Behandlung der Rolle der jüdischen Finanziers in der Literatur. Nicht zufällig schreibt er in seinen Vorarbeiten, daß er dieses Thema nicht anpacken kann, ohne daß »die jüdische Frage« am Grunde seines Sujets auftauchen wird, »denn ich kann mich nicht mit dem Geld beschäftigen, ohne die ganze Rolle der Juden damals und heute zu berühren«.
    Auch bei Balzac waren die großen Bankiers wie Nucingen oder die kleinen Makler schon meist jüdischer Herkunft, trugen deutsche Namen, sprachen ein schlechtes Französisch und wurden in ihrem Äußeren und ihrer Kleidung, ihren Gewohnheiten und Eigenschaften nach einem ganz bestimmten Klischee beschrieben.
    Ein Nachhall solch traditioneller Beschreibungen findet sich in Zolas Darstellung der »Naßfüßler« oder auch Buschs. Hier gibt es eine ganze Reihe immer wiederkehrender Topoi, zu denen auch die Vorstellung gehört, daß die eigentliche Macht in der Hochfinanz in jüdischen Händen liege. Aber die wechselnden Gruppierungen bestimmter Kreise der Hochfinanz sind natürlich keine Frage »religiöser« oder »rassischer« Zusammengehörigkeit, sondern sich ändernder ökonomischer Konstellationen und Interessenverflechtungen. Sekundär können dann Familienbindungen, wie im Falle des Hauses Rothschild, eine Rolle spielen. Wie fürchterlich solche Klischeevorstellungen von der antisemitischen Propaganda ausgenutzt werden können, hat die jüngste Geschichte blutig bewiesen. Auch bei der Beurteilung von Zolas Roman taucht die Frage auf, ob er mit der Wiederholung so primitiver Klischees, mit der Unterlegung der Antithese – jüdische Bank contra katholische – nicht der antisemitischen Hysterie seiner Zeit erlegen ist. Zola, der unerschrockene Verteidiger von Dreyfus, ein Antisemit?
    Für die Beurteilung dieser Frage muß man sehr genau unterscheiden zwischen den Passagen, die aus der Autorenperspektive, und denen, die aus der Figurenperspektive, in diesem Falle vor allem Saccards, geschrieben sind.
    Dann bleiben auf Zolas Passivkonto nur gewisse Klischees der Personenbeschreibung und natürlich die Tatsache, daß er überhaupt eine solche Fragestellung aufgenommen hat. Offensichtlich glaubte er, diese Frage, die in den politischen und ideologischen Auseinandersetzungen der Zeit eine so große Rolle spielte, nicht einfach übergehen zu können. Man darf auch nicht vergessen, daß Gobineaus 1854 erschienenes Hauptwerk, »Versuch über die Ungleichheit der menschlichen Rassen«, 1884 wiederaufgelegt worden war und daß schon drei Jahre nach Niederschrift des Romans der Dreyfusprozeß stattfand, der nur auf dem Hintergrund einer seit Jahren betriebenen antisemitischen Hetze und einer dementsprechenden Einstellung breiter französischer Kreise möglich war.
    Entscheidend ist jedoch, wie Zola die der gesellschaftlichen Thematik unterlegte Konfliktinterpretation – Kampf der »katholischen« Hochfinanz gegen die »jüdische« – wertend dargestellt hat. Eigentlich lebt diese Interpretation nur in der Sicht und aus der Sicht Saccards. Er deutet die Widerstände und Schwierigkeiten, auf die er mit seinen Unternehmungen stößt, aber auch die Zielsetzungen, die er ihnen gibt, um in einen solchen Kampf des »katholischen« Kapitals gegen das »jüdische«. Damit unterlegt er nicht nur seinem Gegner ideologische Beweggründe des Handelns, sondern auch seinen eigenen Aktionen. Doch die Fadenscheinigkeit seiner »politischen« Beweggründe macht zugleich Saccards Einschätzung von Gundermanns Rolle als interessierte Deutung zu den eigenen Gunsten suspekt. Daß der Katholizismus der Banque Universelle ein zur Schau getragenes Reklameschild ist, daran läßt Zolas Darstellung keinen Zweifel. Saccard geht es nicht um den katholischen Glauben oder um die Macht des Papstes, nicht um politische Überzeugungen und auch nicht um moralische Beweggründe, sondern nur um eins: um handfeste Profitinteressen. Und in den Gesprächen mit Hamelin und Caroline und in den ersten Fühlungnahmen mit seinen Kunden, vor allem mit den Damen Beauvilliers, hat er blitzschnell erfaßt, daß eine solche zur Schau getragene katholische Orientierung seiner Bank eine sichere und bis in die Regierungsbänke hineinreichende Klientel sichern würde, ganz abgesehen davon, daß die von religiösem Geheimnis umwitterten und Weihrauch umdufteten hochfliegenden Pläne- auch die Phantasie der Kunden beflügeln und ihr gläubiges
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