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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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dʼOrviedo, der durch Spekulation das fabelhafte Vermögen von 300 Millionen zusammenraffte, hätte sie begriffen und danach sein Leben eingerichtet, »ein ganzes Leben fürchterlicher Räubereien, die er nicht mehr im Dunkel des Waldes ausgeführt hatte, mit bewaffneter Hand … sondern als untadeliger moderner Bandit im hellen Sonnenlicht der Börse, in den Taschen der leichtgläubigen armen Leute, inmitten von Zusammenbruch und Tod«. Und auch Sabatani, der kleine Gauner, hatte sie erfaßt.
    »Wie sollte man an dieser seiner Zahlungsfähigkeit zweifeln, wenn man ihn so fröhlich sah, offensichtlich reich und in jenem unerläßlichen eleganten Aufzug, der gleichsam die Uniform des Börsendiebstahls ist?«
    Und Zola hat auch die Verflechtung der Hochfinanz mit der Presse und mit. den Regierungskreisen richtig erkannt und dargestellt. »Das Geld geht heute nicht ohne die Presse«, heißt es in dem Entwurf. Als sich Saccard anfangs Sorgen wegen der katholischen Richtung der »Espérance« macht, die er für sich aufzukaufen gedenkt, beruhigt ihn Jantrou mit den Worten: »Wenn ein Kreditinstitut eine Zeitung hat, spielt es keine große Rolle, ob sie die Regierung unterstützt oder angreift … Verschaffen Sie sich eine Zeitung, das ist eine Macht.« Wiederum geht es nicht um politische Überzeugungen, sowenig wie es bei den Orientunternehmungen um den Fortschritt ging, sondern um die Manipulierung der öffentlichen Meinung, das Einfangen von Kunden und die Gefügigmachung der Regierung. Wie weitgehend die Regierung in ihrer eigenen. Handlungsfreiheit durch ihre Abhängigkeit von der Hochfinanz beschränkt ist, hat Zola schlagend an dem Verhältnis des Kaiserreichs zu Gundermann dargelegt. Ohne ihn könnte die Regierung keinen einzigen Staatskredit aufnehmen. Die Minister, auch Rougon, sind nur seine besseren Kommis. Und als er im Schlußkampf mit Saccard dem Finanzminister bedeutet, daß seine Kassen für einen neuen Kredit geschlossen bleiben, solange die unsichere Börsenlage anhält, ist Saccards Schicksal besiegelt. Rougon muß den Bruder fallenlassen, selbst wenn er nicht wollte.
    Gleichwohl verschiebt Zola in seiner Darstellung der Abhängigkeit der Regierung von Gundermann – einem jüdischen Bankier, wie Saccard immer wieder betont – die tatsächliche allgemeine Interessenverflechtung von Regierung und Hochfinanz – die Saccard selbst ja so gern zu seinen Gunsten nutzen möchte und mit Hilfe Hurets nur unzulänglich in den Griff bekommt – zugunsten einer Interpretation dieses Zusammenhangs, wie sie den Standardargumenten nationalistischer und antisemitischer Kreise in den achtziger und neunziger Jahren entsprach. In deren Sicht war das Kaiserreich nicht an seiner eigenen Unfähigkeit zugrunde gegangen, sondern das Opfer einer Verschwörung des nach der Weltherrschaft strebenden jüdischen Kapitals mit dem Ausland geworden.
    Saccards sehr ähnliche, wenn auch in das Kaiserreich zurückprojizierte Meinungen sind nicht nur ein Nachhall von bestimmten Vulgärvorstellungen aus der Zeit der Vorgeschichte und der Abfassung des Romans, sondern zugleich ein Ergebnis der Perspektivenverschiebung, die mit der Art der Umsetzung der gesellschaftlichen Thematik in eine dramatische Handlung zusammenhängt. » … ›Das Geld‹ ist ein Roman, dessen Intrige wie bei den vorhergehenden Werken zunächst auf dem Ins-Spiel-Bringen zusammengehöriger oder entgegengesetzter Ideen beruht«, heißt es wiederum im Vorentwurf. Und tatsächlich ist das Figurenensemble des Romans aus Oppositionspaaren bzw. aus Doublierungen aufgebaut: Saccard – Gundermann; Saccard – Hamelin; Caroline – die Baronin Sandorff; Madame de Jeumont – Frau Conin; Busch – Sigismond; Moser – Pillerault; die Fürstin dʼOrviedo – die Beauvilliers; Maxime und Victor; Hauptmann Chave – die Maugendres, usw. Für die Umsetzung der gesellschaftlichen Thematik in eine dramatische Handlung konnte das Ins-Spiel-Bringen entgegengesetzter Ideen nur bedeuten, den Konflikt darzustellen, den die Interessenkämpfe zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Hochfinanz auslösen mußten.
    Diese Gegensätze entsprachen der historischen Wahrheit, das hatte gerade der Fall der Union überzeugend zutage gefördert. In der Darstellung Bontouxʼ jedoch war die Union dem Komplott einer jüdischen Baissiersgruppe erlegen. Wenn Zola nun den Kampf Saccards gegen Gundermann als den Kampf einer katholischen Bank gegen eine jüdische darstellte, so übernahm er diese
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