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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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vermittelten und verdinglichten Form, sondern an der »Wurzel« gefaßt, als Besitzverhältnis zu den Produktionsmitteln, an deren Besitzer der Arbeiter seine Arbeitskraft verkaufen muß, um sie als solche für sich überhaupt realisieren zu können – dieser Widerspruch wird von Zola nicht aufgedeckt, er wird vielmehr von der vordergründigen Debatte um die Rolle des Geldes als einer Gegebenheit, nach deren Charakter und Wesen nicht weiter gefragt wird, verdeckt. Deshalb schließt diese Passage auch nicht mit einer logischen Beweisführung der Richtigkeit von Sigismonds Ideen, sondern mit einem emotionalen Appell: »Ist das nicht etwas Entsetzliches, dieser Besitz an Geld, der die Privatvermögen anhäuft, der fruchtbaren Zirkulation den Weg versperrt und skandalöse Königtümer schafft, die den Geldmarkt und die gesellschaftliche Produktion unumschränkt beherrschen? Alle unsere Krisen, unsere ganze Anarchie hat darin ihren Ursprung … Man muß das Geld töten, ja, töten!«
    Dieser leidenschaftliche Ausbruch Sigismonds vermittelt – auch wenn man ihn einem Roman angemessener erachtet als eine nüchterne polit-ökonomische Abhandlung – eine falsche Sicht der Dinge und macht die Folge für die Ursache verantwortlich. So die Dinge einmal auf den Kopf gestellt, erscheint die Ablösung von Gesellschaftsformationen als einfache Ablösung der Formen des Reichtums, vom Grundbesitz zum Geldbesitz, zum Besitz von Arbeitsgutscheinen.
    Die dritte Einblendung schließlich steht am Schluß des Romans, als es gilt, das Fazit zu ziehen. Diesmal ist Caroline Sigismonds Gesprächspartner. Saccards Gebäude ist zusammengebrochen, Sigismonds Zukunftsbau aber, den er in vielen schlaflosen Arbeitsnächten entworfen und berechnet hat, ist auf dem Papier vollendet.
    Dieser letzte Teil trägt ganz stark Züge von Zolas eigenen utopischen Sozialismus Vorstellungen. Nicht umsonst ist hier schon die Rede von der »cité de justice et de vérité«, dem Reich der Gerechtigkeit und Wahrheit, auf das der Zukunftsweg der Menschheit zusteuert, so wie Zola ihn in den »Drei Städten« und den »Vier Evangelien« in den nächsten Jahren zu zeichnen versuchen wird. Mit der Vision dieser glücklichen Zukunft, die wie im hellen Sonnenlicht Vor den verlöschenden Augen Sigismonds erstrahlt, stirbt er.
    Es wäre müßig, wollte man Zola im einzelnen vorrechnen, wie viele Irrtümer, Halbwahrheiten, ja sogar gängige Vorurteile sein Sozialismusbild enthält.
    Was Zola hier als Ansichten des Marxismus entwickelt, ist das, was Zola davon verstanden hat. Und ähnlich wie er bei der Interpretation des Zentralkonflikts sich von der Darstellung Bontouxʼ hätte beeinflussen lassen, war er hier seinem Gewährsmann Albert Schäffle erlegen, dessen weitverbreitetes und vielgelesenes Buch, »Die Quintessenz des Sozialismus«, das 1888 in französischer Übersetzung erschienen war, er benutzt hatte. Schäffle war ein bürgerlich- idealistischer Soziologe und Ökonom, der in Anlehnung an die positivistischen Entwicklungskonzeptionen Spencers und Darwins ein soziologisches System entwarf, das den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang in Analogie zum biologischen Organismus interpretierte und folglich an die Stelle einer revolutionären Theorie Spontaneitätsglauben und Wachstumstheorie setzte. Ein solches Werk, das Zolas eigenen naturphilosophischen Ideen so entgegenkam, mußte sein Vertrauen finden. Für, die Schlußvision schließlich benutzte Zola einen in der Zeitschrift »Revue socialiste« erschienenen Artikel, der aus dem Zusammenhang gerissene marxistische Begriffe wie Schlagwörter in wenig überzeugenden Phrasen aneinanderreihte. Doch wichtiger als all diese möglichen Einwände ist für die Beurteilung der von Zola angebotenen künstlerischen Umsetzung seines Themas die Tatsache, daß er die Notwendigkeit, diesen Gegenentwurf in die Darstellung einzubeziehen, erkannt und damit das Thema in seiner ganzen gesellschaftlichen Breite zumindest konzeptionell erfaßt hat.
    Zolas letztes Wort in der Frage nach der Rolle des Geldes in der modernen Gesellschaft spricht allerdings nicht Sigismond. Diese Antwort legt der Autor Caroline in den Mund. Als Romangestalt verdankt sie ihre Entstehung der antithetischen Anlage des Aufbaus. Inmitten des Zusammensturzes aller Güter und Werte ist sie die Verkörperung der Hoffnung. Nicht Pessimismus soll das letzte Wort des Romans sein, sondern Optimismus, der vertrauende Glaube an die guten Kräfte des Lebens, eine
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