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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
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entlangzufahren! Als Gretlin das mit einem erstaunten Blick auf ihre treue Freundin tat, hielt diese ihr Ohr ganz nahe an die Stola. Dann nickte sie befriedigt und drückte mit der flachen Hand auf eine Stelle des goldenen Stoffes, dann auf eine andere, dann wieder auf die erste. Jetzt konnten es alle hören. Auf einer Länge von ungefähr zehn Zoll, dort, wo die Adlerstola das Herz der Gräfin bedeckte, raschelte es. Alle sahen fragend Pater Niclas an, der auf ein zustimmendes Nicken Katharinas die Stola an jener Stelle umdrehte und zwischen den Stoffschichten und den eingelegten Papierstreifen ein gefaltetes Pergament hervorzog. Er überreichte es Gretlin, die den Bogen auseinanderfaltete und ihn dann mit den Worten: »Ich kann ja nicht lesen!« dem jungen Randegg reichte. Sander, der einen erstaunten Blick auf Gretlin warf, nahm ihr das Pergament ab und begann mit leiser Stimme vorzutragen:

    Jetzt, wo ich friedlich heimgegangen bin zu meinem Schöpfer, meinen Feinden verziehen und mein Heil der Jungfrau Maria und allen Heiligen anvertraut habe, ermächtige ich Dich, mein allerliebstes Kind, Tochter meiner Agnes, dein Erbe anzutreten, solltest du willens dazu sein. Dein nicht einfaches Leben als Kind und Jungfer, dem ich nur unerkannt und aus der Ferne beiwohnen durfte, ist vollbracht und nun, in Anbetracht deiner Vermählung, ist die Zeit da, wo du dich deinem weiteren Leben stellen musst. Pater Nicolas hat mein vollstes Vertrauen und wird Dir, liebe Margarete, immer zu Diensten sein, so wie mir. Ich habe aus den Einkünften der Welser Maut verfügt, Dir die nötige Hilfe zukommen zu lassen, um Tirol wieder den rechtmäßigen Erben, deren von Görz, anzuvertrauen. In all Deinen Bestrebungen, Margarete, Tochter meiner Agnes, werde ich an Deiner Seite sein, einer Schutzheiligen gleich, werde ich Dir den Rücken stärken. Um eines noch möchte ich Dich in aller Demut bitten: Schenke den üblen Nachreden meiner Mitstreiter kein Gehör, glaube nicht allzu leichtfertig den Verleumdungen und Schmähungen von ihrer Seite. Ich, die Mutter Deiner Mutter, der Herzogin von Kärnthen und Gräfin von Tirol, habe mir in meiner Zeit auf Erden kein sittenloses Leben vorzuwerfen. Ausgesöhnt mit Jesus Christus und wohlbehalten in unmittelbarer Nachbarschaft der Minderen Brüder kann ich Dir versichern, liebste Margarete, dass ich mich keiner der mir vorgeworfenen Verfehlungen schuldig gemacht habe. Gottes Segen sei mit Dir in allem, was Du tust, wie immer Deine Entscheidung auch lauten wird. Nimm das Kleinod entgegen, das Pater Nicolas all die Jahre für Dich aufgehoben hat. Möge mein Leitspruch darauf nie und nimmer der Deine werden.

    Katharina hielt die Luft an, bis sie ihren Herzschlag schmerzend bis in den Hals hinauf spürte. Sie sah zu Gretlin, die unverwandt auf das Antlitz der Verstorbenen starrte, dann zu Sander, der mit einem erwartungsvollen Blick zu Gretlin schaute und ihr den Brief in die Hand drückte. Als sie sehen wollte, was Pater Nicolas dazu zu bemerken hatte, war sein Platz leer. Leise hörte sie Schritte, die sich in die Sakristei bewegten und gleich darauf wieder beim Hochgrab ankamen. Pater Nicolas trug ein rundes Lederetui, aus dem er eine Schale hervorholte, die aus dünnem Silber getrieben und feuervergoldet war. Sie war mit drei blattförmigen Schnallen so in einer Kokosnuss verankert, dass nur der Rand mit einem Schriftzug hervortrat. Pater Nicolas überreichte der verblüfften Gretlin die Schale mit den Worten: »Das ist die Brautschale der Gräfin, die ihr Ludwig der Brandenburger am Tage ihrer Vermählung zum Geschenk gemacht hat. Ich habe die Aufgabe, sie dir in Anbetracht deiner baldigen Hochzeit zu überreichen. Nun bist du, nach der letzten Verfügung dieser hohen Frau, befugt, ihr Erbe anzutreten.« Damit neigte er den Kopf, blickte zu Katharina und – erschrak. Eine Grimasse war aus dem sonst so gütigen Gesicht der Äbtissin geworden. In dem Augenblick, als er Gretlin die Schale überreichte und sie mit beiden Händen danach greifen wollte, riss ihr Katharina den Brief aus der Hand. Eine unheilvolle Stille senkte sich über die Kapelle. Gretlin brach das Schweigen und sah zur Äbtissin. »Katharina von Habsburg, Schwester von Rudolf, Albrecht und Leopold: Ich habe mich schon entschieden, bevor ich vor dem Grab meiner Vorfahrin stand.«
    »Wofür hast du dich denn entschieden?«, fragte Katharina drohend.
    »Das werde ich zu gegebener Zeit verkünden, jetzt möchte ich mich von meiner
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