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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
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setzte er seinen Weg fort. Die beiden Knechte des Herzogs folgten ihm auf dem Fuß. Mit einem Ruck, der Heinrich fast aus dem Gleichgewicht brachte, riss er die schwere Holztür auf und nahm gleich zwei der Stufen auf einmal. Oben angekommen, stieß er mit Wucht und beiden Händen auf die Holzklappe über seinem Kopf, dass sie mit einem lauten Krach nach oben schwang und aus den Angeln geschleudert wurde. Heinrich spuckte splitterndes, morsches Holz und Dreck, der über seinen Kopf in seinen aufgerissenen Mund herabgefallen war, und stützte sich mit beiden Händen über die Öffnung. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, als er die Beine vom Boden hob und diese sein ganzes Gewicht halten mussten. Mühsam schob er seine Hüfte Zoll für Zoll über den Rand der Öffnung nach oben, robbte über mit Taubenkot verunreinigten Boden und erhob sich schließlich in den Kniestand. Wieder schüttelte Schluchzen seinen Körper, er krümmte sich wie unter starken Schmerzen zusammen und sank mit dem Gesicht erneut auf den Boden. Seine Arme hielt er fest um den Körper geschlungen, als könnte er verhindern, dass der Schmerz seinen Brustkorb sprengte. »Aber ich bin es doch, dein Sohn«, flüsterte er und wiegte seinen Oberkörper hin und her. Wieder richtete Heinrich sich auf, fuhr mit der rechten Hand über sein mit Vogelkot, Tränen, Rotz und Dreck verschmiertes Gesicht und richtete sich langsam zu seiner vollen Größe auf. Schwankend ging er zum Rand des Bergfrieds, dessen Zinnen weit auseinandergezogen waren und immer wieder Platz ließen, dass sich ein schmächtiger Mann durchzwängen konnte. Der Schrei des Falken dröhnte in seinen Ohren, er breitete seine Arme aus, um Luft zu schnappen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Da traf ihn ein gewaltiger Schlag auf die Schulter. Er verlor das Gleichgewicht und sprang hinein in die Luft, die seine kranken Lungen umschmeichelte wie ein Federkissen vor dem Eintauchen in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

    *

    Seufzend erhob sich Äbtissin Katharina vom harten, kalten Boden der Kirche, auf dem sie die letzten Augenblicke kniend zugebracht hatte. Ein letztes Mal sah sie auf zur Madonna mit ihrem Lilienszepter in der einen und dem Jesusknaben in der anderen Hand. Wie heiter und entspannt sie die Jungfrau anblickte, wie liebevoll sie sich dem Kind zuwandte! Katharina unterdrückte das Bedürfnis, ganz sachte über die Brosche der Figur aus bemaltem Stein zu streichen, dieses ›A‹, das für nichts anderes als für › Albrecht‹, ihren Vater, stand. Wie hätte sie nun seiner Hilfe bedurft, wie schwer war ihr heute ums Herz, als sie an ihre Mutter Johanna von der Pfirt dachte! Sie, diese praktische und starke Frau würde nicht zögern, ihren Vorsatz in die Tat umzusetzen. Sie nicht. Würde sie, ihre Tochter, das auch können? Seufzend fuhr sich Katharina über ihr Kinn und fasste sich an den Hals. Schwindel erfasste sie und sie lehnte sich kurz an den Strebepfeiler, wo über ihr die Madonna thronte. In letzter Zeit fühlte sie sich schwach und ausgehöhlt, doch gerade das durfte heute niemand merken. Schon hörte sie den Minderpater herbeieilen, festen Schrittes, Herr im eigenen Haus. Katharina vermisste die Sicherheit ihres Klarissenklosters, das sie sonst verlässlich wie einen Schutzpanzer zu umgeben schien. Heute musste sie im ihr fremden Kloster der Minderbrüder weilen, zu wichtig war das, was in der kommenden Stunde ihrer harrte. Tief durchatmend drehte sie sich nach vorn und blickte vom Langhaus in den Chor. »Pater Nicolas, wie schön, Sie zu sehen! Gelobt sei Jesus Christus!«, eröffnete sie huldvoll das Gespräch.
    »In Ewigkeit, Amen, Äbtissin!« Ein hochgewachsener, starker Mann kam ihr mit energischen Schritten und ausgestreckter, schwieliger Hand entgegen. »Wie schön ist es, Sie hier begrüßen zu dürfen! Ich wollte Ihnen unseren Baufortschritt zeigen, Äbtissin.« Mit einem breiten Lächeln und einer ausgreifenden Armbewegung zeigte er auf die Ecke, wo der Langchor mit der Ludwigskapelle zusammenstieß, und setzte begeistert fort: »Dank Ihrer großzügigen Spende konnte ich die Innenwände des Glockenturms verschönern, und …«
    Mit leiser Ungeduld unterbrach Katharina den Pater und meinte: »Gern überzeuge ich mich später von Ihrem Schmuckwerk, Pater, obwohl«, hier bekam der Ton etwas Schneidendes, »ich nicht nachempfinden kann, warum die Minderbrüder überhaupt so einen gewaltigen Glockenturm benötigen!« Der Pater senkte beschämt seinen
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