Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
ist sicher!« oder: »Bei dem Chor da droben auf der Brücke kommt mir gleich das Speiben 39 . Wenn die Dirnen es den Männern so schlecht besorgt haben, wie sie jetzt singen, dann ist’s ka Wunder, dass sie dafür büßen müssen!« Noch mehr Gelächter rundherum war die Antwort. Fichtenstein, der es längst bereute, seinen sicheren Hochsitz oben im Rotenturmtor verlassen und sich in die Niederungen des gemeinen Volkes begeben zu haben, kam einigermaßen ramponiert zwischen Randegg und dem Henker zum Stehen. Doch Fichtenstein hatte Übung, mit unangenehmen Auftritten zurechtzukommen und fasste sich schnell.
»Was geht hier vor, in Dreikönigsnamen?«, herrschte er den Henker an.
»Geh, lass doch die Heiligen Drei Kenig in Rua, de kemman erst nach Weihnachten!«, lallte der eine Knecht besoffen und stieß den anderen so lang an, bis der grinste. Finkenstein bedachte die Schrannenknechte mit einem vernichtenden Blick und wandte sich Ignaz Mitterlehner, dem Henker, zu, der sich sofort gewaltig am Riemen riss, kannte er doch den Hofmeister und seinen Einfluss in der Stadt und vor allem bei Hof besonders gut! Der Henker wählte seine Sätze mit Bedacht und erzählte in ruhigen Worten, dass er eben ein Begnadigungsschreiben, vom Herzog Albrecht persönlich unterfertigt, erhalten habe und er jetzt seines Amtes zu walten gedenke und die angeklagte Büßerin in Freiheit entlassen werde. Dem Hofmeister blieb zuerst vor Staunen der Mund offen, dann fragte er nach: »Vom Herzog persönlich, sagst du?« Mitterlehner nickte.
»Was hast du denn damit zu tun, warum kommst du erst jetzt damit?«, blaffte der Hofmeister und bohrte plötzlich wütend seinen dünnen Finger in das Wams von Sander. Dieser schlug kräftig mit seinem Handschuh auf den ausgestreckten Finger und entgegnete erzürnt: »Randegg, Edler von Randegg ist die richtige Ansprache von Ihnen für mich, werter Hofmeister.« Erschrocken zog Fichtenstein seine Hand zurück. »Und warum ich so spät hierher komme, das sollten Sie wohl am besten wissen.« Damit sah Sander den Hofmeister süffisant an und setzte halblaut fort: »Die Angelegenheit stand auf des Messers Schneide, wenn Sie verstehen, was ich meine, Fichtenstein, auf des Messers Schneide !«
Damit drehte er sich wortlos um, umarmte Ewald innig und dankbar, bevor er Gretlin, die erschöpft in den schlammigen Ufersand gesunken war, vorsichtig in seinen warmen Umhang wickelte und kurzerhand durch die Beifall klatschende Menge Richtung Laurenzerberg trug. Oben auf der Anhöhe wurde er bereits von einer Gruppe Nonnen erwartet, die Gretlin in Empfang nahmen und weiter versorgten. Ewald von Wolkenberg stimmte nun ein Schlusslied an, das einem Kirchenlied gefährlich ähnlich war, und die Leute, die genug von ›Halleluja‹ und ›Jesus Christus‹ hatten, zerstreuten sich langsam und sahen einem verkaterten nächsten Tag entgegen. Lachend und scherzend kamen endlich die Büßerinnen von der Langen Brücke herunter, und Marlen, die sich gewaltig ins Zeug legte, um die Chorleiterin zu markieren, klopfte Ewald mitleidig auf die Schulter: »Wennst das nächste Mal nach Wien kommst, dann darfst wieder mit uns singen, Ewald. Klingen doch so gleich viel besser, deine Lieder, gell!«
»Natürlich, wie recht du hast, Marlen!«, meinte der Sänger mit einer tiefen Verbeugung und blieb extra lang mit dem Kopf unten, damit Marlen sein Lachen nicht zu offensichtlich mitbekam. Wieder aufgerichtet sah er sich nach einer weiteren Büßerin um, konnte sie aber nicht finden, zumindest nicht die, die er noch unbedingt sprechen wollte. Stattdessen kam Johanna zu ihm gelaufen, weinend und lachend zugleich. »Jetzt hammas doch noch g’schafft, Ewald. Mei, bin i froh!« Damit drückte sie den lachenden Ewald so fest an ihren Busen, dass er übertrieben mit seinen Armen ruderte und quietschende Hilfeschreie von sich gab.
»Mei, so umarmt möchte i auch amal von dir wern, Hannerl.« Nach Wein stinkend, aber sichtlich gut aufgelegt schlurfte Barthel heran, und als Johanna sich mit bösem Blick von ihm abwandte, hakte er sich lachend bei Jobst und Krispin unter.
In den allgemeinen Trubel hinein kam auch noch wankend der Pfarrer angerauscht und drückte einen Kuss auf Barthels Wange.
»Ja, schmust ihr jetzt alle dauernd miteinander umadum, es Mauna, es depperten?« 40 , mischte sich Johanna ein und wischte sich dann aber Tränen der Rührung aus den Augen. Doch der Pfarrer umarmte Barthel fest und innig, wie wenn er gar nichts gehört
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