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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues
Autoren: Holtkoetter Stefan
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stirbt jetzt ohnehin, weißt du.«
    Ein Auto raste über die Schnellstraße in Richtung Niederlande. Peter sah ihm nach, bis es in einer Kurve hinter dem Dorf verschwunden war. Ein weiteres folgte, ebenfalls in hohem Tempo. Als die Motorengeräusche schließlich verklungen waren, begannen zögernd und schwerfällig die Kirchenglocken zu läuten.
    Sein Vater blickte sich um. »Das Hochamt fängt gleich an«, sagte er.
    Peter blickte überrascht auf seine Armbanduhr. »Jetzt? Es ist gleich Mittag.«
    Werner Bodenstein lächelte. »Vennhues hat keinen eigenen Pfarrer mehr. Pastor Bruikhoff muss in drei Gemeinden die Messe halten. Da können wir uns die Zeit nicht aussuchen. Vennhues ist nun mal das kleinste Dorf, und deshalb sind wir auch als Letzte dran.«
    »Was ist denn mit Pastor Hülskemper?«
    Peter sprach den Namen aus und glaubte im selben Moment wieder elf Jahre alt zu sein. »Du musst den Schwenker so halten, dass mir der Weihrauch nicht in die Nase steigt«, hatte ihm Pastor Hülskemper auf der Fronleichnamsprozession zugeflüstert, der ersten Prozession, die er als Messdiener mitmachen durfte. Sie standen vor einer liebevoll geschmückten Marienstation, und die Blaskapelle spielte »Großer Gott, wir loben dich«. »Es macht doch einen schlechten Eindruck, wenn ich samt Monstranz ohnmächtig zusammenbreche. Oder was denkst du?« Dabei hatte er ganz kurz gelächelt und ihm zugezwinkert, bevor er wieder sein getragenes Gesicht auflegte und ein Gebet an die Gemeinde richtete.
    »Pfarrer Hülskemper? Der ist schon lange tot.« Sein Vater kehrte ihm den Rücken zu und ging zum Ausgang. »Das Bistum Münster hat uns danach keinen eigenen Pfarrer mehr geschickt.« Er blickte sich um. »Was ist los? Kommst du nun mit oder nicht?«
    »Ich komme«, sagte Peter und folgte ihm.
    »Ich möchte lieber nicht wissen, wann du das letzte Mal in einem Gottesdienst gewesen bist«, brummte sein Vater vor sich hin. »Bestimmt gehst du nicht einmal mehr zu Ostern und am Heiligen Abend in die Kirche.«
    Als sie das kühle, steinerne Kirchenschiff betraten, war Peter wieder ganz und gar in der Gegenwart angekommen. Die Leute auf den Holzbänken reckten unauffällig die Köpfe und versuchten, einen schnellen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen. Ein Flüstern ertönte, das sofort von einem harschen Räuspern erstickt wurde.
    Sie wissen bereits Bescheid, dachte Peter nüchtern. Sie alle haben längst von meiner Ankunft erfahren.
    Da machte es nichts, dass er am Samstag bis in den frühen Nachmittag geschlafen und den restlichen Tag auf dem Hof seines Vaters zugebracht hatte. Irgendjemand hatte dennoch herausgefunden, dass er zurückgekehrt war, und kurz darauf hatte es das ganze Dorf gewusst.
    Sein Vater führte ihn zu einer Holzbank im hinteren Teil der Kirche, und sie setzten sich. Unbeirrt und in aufrechter Haltung blickte der alte Mann zum Altar, hielt das Gebetbuch in der Hand und wartete auf den Beginn der Messe. Peter fiel es hingegen schwer, die verstohlenen Blicke zu ignorieren. Er musterte die Hinterköpfe und fragte sich, ob er Nachbarn und Bekannte nach all den Jahren wiedererkennen würde.
    Über ihnen ächzte der uralte Blasebalg der Kirchenorgel. Er füllte sich mit Luft, woraufhin es für eine Sekunde totenstill wurde, dann dröhnte ein Akkord, und der Organist leitete in ein altes Kirchenlied über. Keiner blickte sich mehr um. Alle griffen pflichtschuldig nach den Gebetbüchern und schlugen die angezeigte Seite auf. Die Tür zur Sakristei öffnete sich, und der Pfarrer betrat mit zwei Messdienern den Chor.
    Peter schien der Einzige zu sein, der nicht dem Gottesdienst folgte. Er rätselte noch immer, wer diese alten Leute mit den veränderten Gesichtern sein mochten. Da waren schon einmal Magda Lütke Gehling, Norbert Osterholt und Josef Kemper, die hatte er gleicht erkannt. Doch auch die anderen würde er wiedererkennen, es war nur eine Frage der Zeit.
    Nach dem Ende der Messe verließen die Bodensteins als Letzte die Kirche. Draußen auf dem Kirchhof standen zu Peters Verwunderung nur ein paar alte Frauen und plauderten miteinander. Früher war der Platz nach der Messe immer voller Leben gewesen, die Leute aus dem Dorf hatten beisammen gestanden und geredet und gelacht.
    »Liegt das an mir?«, fragte er.
    Sein Vater blickte ihn verständnislos an.
    »Dass alle sofort weggehen«, erklärte er.
    Er begriff, was Peter meinte. »Du meine Güte, nein. Das ist immer so. Es kommt ja kaum noch wer zur Kirche.«
    Er
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