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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues
Autoren: Holtkoetter Stefan
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deutete hinaus in den diesigen Novemberhimmel.
    »Bei diesem Wetter? Was wollen Sie denn da machen?«
    »Auf jeden Fall werden wir die Wohnung nicht verlassen«, sagte er und lachte. »Uns wird schon etwas einfallen.«
    Er stand auf und räkelte sich genüsslich. »Wenn die Pause dann beendet sein sollte«, sagte er amüsiert, »können wir uns wohl an die Übergabe machen, oder?«

32
    Der Himmel war bleiern grau, und die Wolken hingen regenschwer über dem Land. Im Radio war ein Schneetief angekündigt worden, das im Laufe des Tages von Norden kommend auf die Küste treffen sollte. Die Temperaturen würden weiter fallen und den Regen langsam zu Schnee werden lassen. Auf dem Weg zurück nach Vennhues könnten die Straßen glatt werden, dachte Werner Bodenstein. Auch wenn es jetzt noch zu warm dafür schien.
    Nieselregen sprühte gegen die Windschutzscheibe, und die Häuser der winterlich grauen Industriestadt verschwammen vor seinen Augen. Am Steuer neben ihm saß Hermann Esking, der angeboten hatte, sie zu fahren, und hinten auf dem Rücksitz Peter, der mit dem Arm auf seinem Seesack still die Landschaft betrachtete. Während der Fahrt war kaum ein Wort gesprochen worden, und nun hatten sie bald ihr Ziel erreicht. Peters Landurlaub war zu Ende.
    Sehr gern hätte Werner Bodenstein selbst seinen Sohn zum Hafen gefahren. Doch seine Augen waren nicht mehr so gut wie früher, und auch die Reaktionen hatten nachgelassen. Mit dem Wagen fuhr er nur noch, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und selbst dann kaum weiter als ins nächste Dorf. Es war das Alter, sagte er sich.
    Am Hafengelände lotste sie ein Arbeiter mit braunen Latzhosen und Sicherheitshelm auf einen Parkplatz. Den Rest des Weges mussten sie zu Fuß gehen. Hermann Esking wartete im Auto, Peter und Werner Bodenstein machten sich auf den Weg.
    Nach seinem Aufenthalt in der Klinik hatte Peter zwei weitere Wochen auf dem Hof verbracht. Doch leicht war es nicht gewesen, denn die meisten im Dorf hielten ihn immer noch für den Mörder. Keiner konnte sich so recht vorstellen, dass Manfred Heesing für die Taten verantwortlich war. Und auch wenn dieses Mal keine Anklage erhoben wurde, änderte das nur wenig daran.
    Peter lief zielstrebig über das Hafengelände, und Werner Bodenstein bemühte sich Schritt zu halten. Links und rechts fuhren Gabelstapler zwischen endlosen Containerbauten umher, dahinter ragten Verladebrücken in den grauen Himmel. Im Hafenbecken warteten die Frachtschiffe, und Werner Bodenstein betrachtete sie mit angehaltenem Atem. Mit ihren mehrgeschossigen Brücken wirkten die Kolosse auf ihn wie schwimmende Großstädte. Er fühlte sich klein in dieser fremden Umgebung, und es fiel ihm schwer zu glauben, dass sein eigenes Kind hier zu Hause war.
    Peter blieb stehen und ließ den Seesack sinken. Dann atmete er tief durch und sah seinen Vater an.
    »Riechst du das?«, fragte er.
    Werner Bodenstein hob unschlüssig die Schultern.
    Da war etwas an seinem Sohn, das neu war, und es dauerte, bis er begriff, was sich verändert hatte. Peter war glücklich.
    »Es riecht nach Meer?«, fragte er unsicher.
    »Nein.« Peter sah über ihn hinweg ins Hafenbecken. »Es riecht nach Seetank und nach Dieselöl. Nach Teer und ganz leicht nach frischer Farbe. Und es riecht nach Seeluft, und die ist zu dieser Jahreszeit viel würziger als im Sommer.«
    Er lachte auf, als hätte er einen Witz gemacht. Doch Werner Bodenstein wusste nicht, was er erwidern sollte, und er lächelte nur.
    »Dort vorn ist die Brochnow«, sagte Peter und deutete auf eines der großen Frachtschiffe.
    An der Reling standen Menschen in luftiger Höhe, doch sie waren zu weit weg, um sie grüßen zu können. Im Hafenbecken rund um den Koloss kreuzten Lotsenschiffe und Barkassen. Im Vergleich zur Brochnow waren es winzig kleine Boote, die wie Insekten um einen schlafenden Hund schwirrten.
    Sie erreichten die Gangway. Es war Zeit, Lebewohl zu sagen.
    Gerne hätte Werner Bodenstein seinen Sohn umarmt, doch stattdessen vergrub er die Hände tief in den Taschen seines Mantels.
    »Wirst du mich wieder besuchen kommen?«, fragte er.
    Peter zögerte. »Ja, vielleicht«, sagte er dann.
    Doch Werner Bodenstein hatte bereits verstanden. Peter würde niemals mehr nach Vennhues zurückkehren. Er hatte längst Abschied genommen, und Werner konnte es verstehen. Dennoch unternahm er einen letzten Versuch.
    »Nicht alle im Dorf denken, dass du die Morde begangen hast«, sagte er. »Wenn erst ein bisschen Gras über
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