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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Autoren: Annette John
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nicht mit jemandem unterhalten, der wie ein Igel aussieht.«
    Gehorsam strich Lulu sich die Haare glatt. Mit mäßigem Erfolg. Ihr Haar war schwarz und dick und widerspenstig. Sehr widerspenstig, vor allem, wenn ihr jemand sagte, sie trage den Schein.
    »Du weißt also, was es bedeutet, wenn man sagt, jemand trägt den Schein«, bemerkte Jovinda.
    Lulu nickte. »Das bedeutet …«, ihre Stimme versandete in einem Flüsterton. Sie trank noch einen Schluck und nahm von Neuem Anlauf: »Das bedeutet, ein schreckliches Unglück wird mich treffen oder jemanden aus meiner Familie oder uns alle, und ich bin schuld, ich bin eine Aussätzige, jeder kann es mir ansehen, oh …« Ihre Stimme wurde immer dünner und piepsiger, und sie wusste, sie würde gleich anfangen zu weinen. Sie schlug ihre Hände vors Gesicht.
    »Unsinn«, sagte Jovinda scharf. »Führ dich nicht auf wie eine schlechte Schauspielerin. Nimm die Hände runter und sperr die Ohren auf. Du weißt, dass alle Lebewesen einen zarten Kranz von Licht abstrahlen?«
    Lulu nahm die Hände runter und nickte. »Au…«, sagte sie, ein Schluckauf schnitt ihr das Wort ab. »Aura, heißt das, glaub … glaub ich.«
    »Richtig. Trink mehr Wasser gegen den Schluckauf. Der Schein ist eine winzige Änderung in der Farbe des Lichts oder der Aura, wenn du so willst. Eine winzige Ahnung von kränklichem Grün, sehr schwer zu sehen. Ich hätte überhaupt nichts bemerkt, wenn Evchen mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. Sie hat scharfe Augen und täuscht sich so gut wie nie. Also hielt ich es für richtig, es dir zu sagen. Andere hätten geschwiegen, weil du noch ein Kind bist. Aber ich halte nichts davon, Kinder zu schonen. Erstens schonen sie uns auch nicht (hier wurde Lulu ganz kurz von schlechtem Gewissen gepiekt wegen der alten Vettel) und zweitens sind Kinder genau so betroffen wie Erwachsene.«
    »Betroffen?«
    »Ja, betroffen. Der Schein kündigt eine Veränderung im Leben desjenigen an, der ihn trägt, oft auch im Leben derer, die ihm nahestehen. Und, nun ja, es ist meistens keine Veränderung zum Guten. Aber …« Sie machte eine Pause und hob beschwichtigend die Hand, denn Lulus Mund begann wieder zu zittern. »Aber erstens muss diese Veränderung nicht unbedingt eintreten. Der Schein ist eine Warnung, und was hätte eine Warnung für einen Sinn, wenn man nichts gegen die drohende Gefahr unternehmen könnte? Zweitens zeigt sich der Schein meistens bei der Person, die etwas bewegen kann.«
    »Ihr meint, bei der Person, die machen kann, dass das Unglück nicht kommt?«
    »Oder die Folgen des Unglücks mildern kann.«
    »Diese Person bin ich?«
    »Schwer zu glauben, aber ja.«
    »Was kann ich tun?«
    »Sprich mit deiner Mutter. Erzähl ihr von Evchens Wahrnehmung. Sie wird vermutlich toben, weil ich dich eingeweiht habe, aber sie wird die Warnung ernst nehmen. Ist sie zu Hause?«
    Lulu schüttelte den Kopf. »Sie ist im Palast. Sie kommt erst in zwei Tagen heim.«
    »Sprich mit ihr«, wiederholte Jovinda. »Und jetzt hör mit diesem Schluckauf und diesem Kindergetue auf und zeig mir, dass ich recht hatte, dich einzuweihen. Ich habe eine Botschaft für deine Mutter. Es ist überaus wichtig, dass Graviata sie erhält, Wort für Wort, Silbe für Silbe. Eigentlich wollte ich gar nichts damit zu tun haben, aber Evchen hat mich umgestimmt. Im Übrigen ist das Unglück vielleicht schon abgewendet, wenn du es schaffst, die Botschaft korrekt zu überbringen. Wort für Wort, Silbe für Silbe. Wirst du das schaffen?«
    Lulu nickte eifrig. »Klar, das ist leicht. Um was geht es in der Botschaft?«
    »Um nichts, was dich interessiert. Um Dinge aus einem anderen Leben. Ich könnte sie deiner Mutter natürlich selbst mitteilen, aber Evchen und ich haben beschlossen, uns aus euren Familienproblemen so weit wie möglich rauszuhalten. Wir werden für eine kleine Weile verreisen. Nicht wahr, meine Süße?«
    Die Süße tat, als ginge sie das alles überhaupt nichts an, reckte eine Hinterpfote in die Höhe und begann sich energisch und geräuschvoll zu putzen.
    Jovinda sah zu Lulu. »Bist du so weit?«
    Lulu nickte und Jovinda fing an. Sie benutzte die alte Sprache, die geheime Sprache der Hexen, die Lulu noch nicht gelernt hatte. Aber sie war, dank eines endlosen Nachmittags in Hexengenealogie, gut im Training und außerdem mit Eifer und Leidenschaft bei der Sache. Wenn das alles war, was von ihr verlangt wurde, eine Botschaft in einer merkwürdigen, für sie sinnlosen Sprache auswendig
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