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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Autoren: Annette John
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aussieht. Als ob das etwas Besonderes wäre. Sie ist eine Hexe, genau wie ich. Sie verkauft ihre Sprüche, ihre Wässerchen und lässt die Leute jung und schön aussehen. Na und? Firlefanz ist das. Unwichtiger, unnötiger Firlefanz!«
    Sie spuckte ein bisschen, als sie »Firlefanz« sagte. Lulu überlegte, was Firlefanz war, sie wusste es nicht. Nichts Gutes vermutlich.
    »All diese Sprüche und Wässerchen, die kenne ich auch«, fuhr Jovinda fort. »Doch ich wende sie nicht an. Evchen und ich haben schon vor langer Zeit beschlossen, in Würde zu altern.«
    Sie betonte das Wort Würde. Als ob Lulus Mama kein Krümelchen Würde besäße, nur weil sie auf ihr Äußeres hielt. Aber Graviata musste jung bleiben. Ihr Aussehen war ihre Reklame, Jugend und Schönheit waren ihr Geschäft, ein gutes Geschäft, das sie bis in den Palast gebracht hatte und sie alle ernährte. Einschließlich Jovinda, die für ihren langweiligen Unterricht ein saftiges Schulgeld von Graviata bezog.
    »Glaubst du nicht auch«, fuhr Jovinda fort, »dass eine Frau, selbst eine alte Hexe, das Recht hat, so zu sein, zu leben und auszusehen, wie sie es für richtig hält, ohne dafür ein hässliches Schimpfwort hinnehmen zu müssen, das vermutlich vor einigen hundert Jahren von ein paar arroganten jungen Schnöseln erfunden worden ist?«
    Du liebe Güte, jetzt kam die alte Vet… äh … Dame ja richtig in Fahrt. Lulu wusste nicht so recht, was sie von Jovindas Vortrag halten sollte und ob sie ihn überhaupt verstanden hatte. Lulu war elf und die Probleme von alten Leuten waren ihr irgendwie schnurz. Jovinda war uralt. Lulus Mama war auch alt, zwar schön, aber alt. Sogar Rafaela, Lulus Schwester, war alt. Und die war gerade mal vierzehn. Beneidenswert alt, aber alt.
    Jovinda seufzte.
    »Stammeskunde gehört seit Jahrhunderten zur Schulbildung. Jede gebildete Hexe hat als Kind die Namen der großen Hexenmütter auswendig gelernt und kann sie vermutlich noch auf dem Totenbett hersagen. Und genauso wie wir haben die Magier und die Gelehrten ihre Stammväter und -mütter, die sie in Ehren halten und deren Namen sie in ihre Bücher schreiben. Wir Hexen schreiben nicht, wir lernen auswendig. Du wirst in deinem Leben noch Tausende und Abertausende von Sprüchen und Rezepten lernen müssen, da ist die Genealogie ein gutes Training. Und wenn Gedächtnistraining für ein Hexenkind gut ist, warum sollte es dann für Bauernkinder schlecht sein? Auch sie werden sich anstrengen müssen, all das zu behalten, was ich ihnen im kommenden Herbst beibringen werde.«
    Lulu rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. Es gab nun keinen Zweifel mehr: Jovinda kannte ihre Gedanken. Ob von Evchen oder ob die Alte selbst in den Köpfen anderer Leute horchen konnte, war egal. Lulu fühlte sich ertappt. Kalt erwischt. Wenn sie ein Brustfell gehabt hätte wie Evchen, hätte sie hektisch daran zu lecken begonnen.
    »Ich weiß selbst nicht, warum ich dir das alles zu erklären versuche«, brummte Jovinda missmutig. »Erstens verstehst du nichts und zweitens legst du keinen Wert auf meine Erklärungen. Es ist …« Mit einer herrischen Bewegung brachte sie Lulus Beteuerungen zum Schweigen, dass sie sehr wohl verstehe und auch Wert lege auf Erklärungen und all so was – und das bevor Lulu auch nur einen Laut hatte von sich geben können. »Es ist nur so, dass Evchen etwas an dir aufgefallen ist. Du trägst den Schein.«
    Lulu brach der Boden unter den Füßen weg, bildlich gesprochen. Er brach nicht wirklich weg, sie hatte nur das Gefühl, er täte es.
    »Du liebe Güte!«, rief Jovinda. »Reiß dich ein wenig zusammen, du bist ja weißer als ein Käsekloß. Und schau mich nicht mit diesen riesigen, schwarzen Augen an, als hätte ich dir ein Messer in die Brust gestoßen. Da!«
    Sie schnippte mit dem Daumen und vor Lulu erschienen ein Becher und ein Tonkrug.
    »Trink was!«, befahl Jovinda. »Das Wasser ist frisch und kühl.«
    Der Becher war schon voll eingeschenkt, dafür war Lulu dankbar. Sie hätte es nicht geschafft, sich selbst aus dem Krug zu bedienen. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie den Becher kaum zum Mund brachte, und ein Teil des Wassers schwappte auf die Tischplatte.
    »Wisch es weg, das gibt Ringe!«, zischte Jovinda.
    Hastig patschte Lulu in der Pfütze herum, aber sie schmierte das Wasser nur weiter über den Tisch. Jovinda seufzte.
    »Wenn deine Hände schon mal nass sind, fahr dir damit durch die Haare. Sie stehen nach allen Seiten ab. Ich kann mich
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