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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Autoren: Annette John
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zu lernen und korrekt wiederzugeben, dann würde sie das machen. Sie würde es verdammt gut machen. Und kein Unglück würde sie treffen, alles würde so bleiben, wie es war.
    Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Jovinda zufrieden war und Lulu erlaubte, vom Stuhl aufzustehen. Höchste Zeit! Sie musste dringend mal. Während sie das Klo benutzte, hörte sie Jovinda im Haus rumoren. Die Alte stapfte hin und her, öffnete eine Tür, ächzte, hantierte mit etwas Metallischem und murmelte irgendwelche Sprüche in ihrer Hexensprache. Vermutlich begann sie mit ihren Reisevorbereitungen.
    Lulu spritzte sich Wasser ins Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah blass aus, fast weiß. Einen Schein sah sie nicht. Sosehr sie sich auch mühte und die Augen zusammenkniff – nichts, keine Aura, kein Schein, kein kränkliches Grün. Nur ihre Augen glühten. Und ihre Haare standen ab, schlimmer denn je. Obwohl sie wusste, dass es sinnlos war, versuchte Lulu, sie erneut mit Wasser zu glätten. Da waren sie dann nass und standen immer noch ab. Pech! Sie hatte immer Pech. Ein Pechrabe, das war sie, Lulu, der Pechrabe mit dem kränklich grünen Schein. Wahrscheinlich war alles umsonst, das mühsame Lernen der geheimen Botschaft, ganz umsonst.
    »Trägst du den Schein, wirst tot du bald sein«, flüsterte sie. Das war ein Abzählvers für ein blödes Kinderspiel, das sie schon tausendmal gespielt hatte. Tausendmal hatte sie diese Worte hergesagt und dabei mit dem Zeigefinger ihre Mitspieler angetippt. Wer ausgezählt wurde, musste sofort der Länge nach umfallen und für den Rest des Spiels tot sein, durfte sich nicht rühren, wenn er gekitzelt, herumgerollt oder mit Wasser bespritzt wurde. Tat er es doch, hatte er verloren. Na ja, jetzt hatte sie verloren, so viel stand fest. Sie würde bald die Tote sein. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Tot. Was für ein schreckliches Wort. Tot.
    Jovinda hämmerte von draußen an die Tür.
    »Bist du ins Klo gefallen? Deine Gobblings versammeln sich am Ring und werden unruhig. Evchen und ich müssen noch packen und wir haben ein Geschenk für dich. Wirst es brauchen können. Also komm endlich raus!«
    Lulu riss sich zusammen. Ein Geschenk von Jovinda und Evchen. Diese beiden hatten noch nie jemandem etwas geschenkt. Sie wusste nicht genau, ob sie freudig oder ängstlich überrascht sein sollte. Hastig putzte sie sich die Nase mit Jovindas feinem Klopapier. Es war wirklich fein, wunderbar weich und duftend. Sie entriegelte die Tür und spähte in die Diele. Jovinda lehnte an der geöffneten Haustür, Evchen saß draußen auf der Fußmatte in der Abendsonne, zwischen beiden stand ein Vogelkäfig, in dem Käfig hockte ein trauriger schwarzer Vogel.
    »Eine junge Krähe«, sagte Jovinda. »Ich habe sie heute Morgen aus ihrem Schwarm heruntergesprochen. Du kannst sie haben, aber du musst sie noch zähmen. Wenn du es richtig anfängst, wird sie dir nützlich sein. Krähen sind klug. Doch bevor du etwas mit ihr unternimmst, musst du ihr einen Namen geben.«
    Lulu kauerte sich auf den Boden vor den Käfig. Die Krähe saß da mit hängenden Flügeln und gesenktem Kopf.
    »Pech«, flüsterte Lulu, »Pechvogel.«
    Der Vogel rührte sich nicht.
    »Sie heißt Corina«, sagte Lulu laut.
    Da hob die Krähe ihr Köpfchen ein wenig, drehte es zur Seite und sah Lulu mit einem schwarzen Knopfauge an.
    »Corina«, schnaubte Jovinda verächtlich. »Was für ein Name für eine Krähe!«
    »Evchen«, sagte Lulu, »was für ein Name für eine Katze!«
    Jovinda stampfte mit ihrer Krücke auf. Evchen sah Lulu mit unendlicher Nachsicht an, gähnte, streckte sich und schritt mit würdevoll erhobenem Schwanz in den Gemüsegarten, wo sie hinter ein paar dicken Kohlköpfen verschwand.
    »Sie hat einen Narren an dir gefressen«, bemerkte Jovinda. »Jeder andere hätte nach einer solchen Frechheit ein paar blutige Striemen um die Knöchel.«
    »’tschuldigung«, sagte Lulu verlegen. »Und, äh, danke für die Krähe.«
    »Hm. Kannst du deinen Text noch?«
    »Häuscher af busch, häuscher af rossen vun seven af seven af seven. Sin ville de seven. Gran vun sude, san vun blot, sat de rossen. Fin de rot, fin de blot. But de seik af de farten vil se kamen. Borleif.«
    »Gut«, nickte Jovinda. »Jetzt schnapp dir deinen Vogel und mach dich auf den Weg, bevor die Gobblings da drüben durchdrehen.«
    Oben am Käfig war ein Ring zum Tragen. Der Käfig war nicht schwer, aber unhandlich, zu groß für die kleine Lulu. Sie musste
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