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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Autoren: Annette John
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vorne und kugelte ein Stück den Hügel hinunter. Clarisse packte den Scherenjungen am Arm und stürzte hinter mir her.
    ›War er es?‹, schrie sie. ›War es dieser Faulpelz, der deine Jovinda zu Hilfe rief? Natürlich war er es‹, gab sie sich selbst die Antwort. ›Verräterpack hält immer zusammen! Dafür wirst du sterben, Faulpelz, ich weiß nur noch nicht, ob vor ihr oder nach ihr! Verle! ‹
    Die Schere verließ die Hand des Jungen und flog zu Clarisse.
    ›Wir gehen jetzt ein Stück über die Felder‹, sagte sie. ›Ich will, dass du siehst, wofür du später bluten wirst. Und, Liebes, keine Tränen! Wenn ich auch nur eine einzige Träne bemerke, wird diese hier‹, sie schwenkte die Schere, ›dir die Augen ausstechen. Ist das klar?‹
    Ich nickte, ohne den Blick von der Schere wenden zu können.
    ›Mitkommen, Faulpelz!‹, befahl Clarisse dem Scherenjungen.
    So weit hatte sich alles nach Plan entwickelt, sogar einfacher, als wir es vorausgesehen hatten.
    Wir hatten vermutet, Clarisse würde mich ins Behandlungszimmer bringen. Dort hätte ich zu weinen und zu flehen beginnen und behaupten sollen, einige von Jovindas Hexensprüchen zu kennen, Segenssprüche für Clarisses kranke Rosen, die ich im Austausch für mein Leben preisgeben wolle.
    Wir waren sicher, dass Clarisse mich daraufhin nach draußen bringen würde, damit ich ihr an den verwelkten Rosen die Wahrheit meiner Behauptung bewies.
    Dass sie nun die Reihenfolge umstieß und mich zuerst zu den Rosen schleifte, konnte sich eigentlich nur als Vorteil erweisen, hoffte ich zumindest.
    Clarisse packte mich am Arm und zog mich in ein Feld hinein.
    ›Tausende‹, schluchzte sie. ›Tausende von Rosen hatte ich. Das hier‹, sie bückte sich und pflückte ein faulig braunes Blatt von einem dürren Stämmchen, ›das war Serena. Und das da drüben war Levantis. Und dort …‹ Ihre Stimme brach. ›Du‹, weinte sie, ›du Verbrecherin! Du gemeine, hinterhältige Verbrecherin!‹
    Sie holte aus, um mich zu schlagen, besann sich aber anders. ›Warum‹, sagte sie kalt, ›warte ich eigentlich, bis ich dich hinauf ins Behandlungszimmer geschafft habe? Blut ist Blut, wir können es genauso gut gleich hier erledigen!‹ Sie erhob die Schere.
    ›Gnade, Herrin!‹, rief ich. ›Es gibt einen Spruch, der Eure Rosen heilt!‹
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, bückte ich mich der fauligen Serena entgegen und hauchte ihr die Worte auf, die Jovinda mit mir geübt hatte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich nur ein paar Schritte weiter einen Blätterhaufen, wie zufällig vom Wind zusammengeweht. Er zitterte fast unmerklich und zwischen den Blättern leuchteten zwei klare, grüne Katzenaugen.
    ›Die Serena!‹, rief der Scherenjunge. ›Seht doch, Herrin, seht die Serena!‹
    ›Was … wie …‹, stammelte Clarisse, sprachlos vor Staunen.
    Winzige Knospen entstanden, Blättchen grünten, das dürre Stämmchen bog sich schmiegsam im Frühlingswind.
    ›Wie hast du das gemacht?‹, rief Clarisse, die ihre Sprache wiedergefunden hatte.
    ›Mit Jovindas Spruch‹, erwiderte ich. ›Er heilt Eure Rosen.‹
    ›Verrat ihn mir!‹ Drohend schwenkte sie die Schere.
    Ich verriet ihn ihr.
    Sofort kniete sie nieder, flüsterte ihn der nächststehenden Rose zu und schon konnte man die Knospen wachsen sehen.
    ›O wie wunderbar, wie wunderbar!‹, schluchzte Clarisse und wandte sich einer weiteren Rose zu. Doch diesmal versagte der Spruch.
    ›Was ist los? Wieso wirkt er nicht?‹ Wütend drehte sie sich zu mir um.
    ›Jovinda hat verschiedene Sprüche gemacht‹, stieß ich hervor und duckte mich unwillkürlich unter ihrem bohrenden Blick. ›Für die verschiedenen Rosen!‹
    ›Jovinda, Jovinda!‹, äffte sie mich nach. Doch sie rannte durch das Feld, zog mich mit sich, hielt immer wieder an, besprach die Rosen, wies mich an, es ebenfalls zu tun, und weinte vor Glück, wenn er wirkte, und vor Verzweiflung, wenn er wirkungslos blieb.
    Sehr oft blieb der Spruch wirkungslos, nur wenige Rosen erholten sich. Doch Clarisse, von wilder Hoffnung beflügelt, durchmaß, ohne mich auch nur einen Lidschlag lang loszulassen, das ganze Feld bis hin zum Haus. Dort probierte sie den Spruch am Kletterrosenstrauch. Er wirkte an einem einzigen Zweig.
    ›Es ist nicht zu fassen!‹, heulte sie. ›Er wirkt und wirkt doch nicht. Ich brauche die anderen Sprüche!‹ Harsch zog sie mich wieder am Haar.
    ›Ich kenne sie nicht‹, beteuerte ich.
    ›Vielleicht fallen sie dir ja wieder ein,
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