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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Autoren: Annette John
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aufgerissenen Augen. Ihre Stimme kiekste vor Empörung.
    »Nein!«, blaffte Jovinda.
    »Aber das ist verboten!«
    »Kinder umbringen ist auch verboten!«, fauchte Jovinda.
    »Aber …«
    »Würdest du vielleicht Mama weitererzählen lassen?«, schnitt Lulu ihrer Schwester das Wort ab.
    Graviata fuhr fort: »Rückblickend kann man sich natürlich fragen, ob wir einen anderen Weg hätten einschlagen sollen. Damals stellte sich uns diese Frage nicht. Wir waren überzeugt, nur einen Weg zu haben, also schlugen wir ihn ein.
    Jovinda und Evchen waren von Anfang an für einen Fluch. Die Worte waren nicht wichtig, sie nahmen irgendwelche, verwoben sie mit unseren Erinnerungen, verbanden sie für immer mit unserer Furcht, unserer Hilflosigkeit, dem Gefühl der Verlassenheit, der Ausweglosigkeit. Und mit unserem Hass.
    Es wurde ein mächtiger Fluch. Clarisse sollte ihn sprechen und, noch während sie die Worte aufsagte, zu einer Mumie vertrocknen und zu Staub zerfallen. Das klang vielversprechend, doch was, wenn sie merkte, was geschah? Sie war nicht irgendjemand. Was, wenn sie während des Sprechens noch Zeit hätte, einen Gegenzauber zu produzieren?
    So entstand die Idee mit dem einstürzenden Gebäude. Natürlich stellte sich die Frage, wie wir sie dazu bringen sollten, erstens den Fluch zu sagen und zweitens es innerhalb eines Gebäudes zu tun. Problem eins war leicht zu lösen, zumindest in der Theorie. Clarisse würde alles sagen, wenn sie glaubte, es nütze ihren Rosen.
    ›Wir brauchen Zaubersprüche, die den Rosen helfen, und mischen sie mit dem Fluch‹, sagte Robert in einem Tonfall, als spräche er über die normalste Sache der Welt. Der Seelenschatten beeinträchtigte weder seine Klugheit noch seine Erfindungsgabe.
    ›Und wie kommt Clarisse an diese Zaubersprüche?‹
    ›Ihr packt sie in ein Sprechendes Buch und das legen wir in ihr Haus. Oder besser noch, in den Turm. Jemand von uns muss es machen, Mièle oder ich. Sie muss glauben, dass sie uns wieder eingefangen hat, und dabei schieben wir ihr das Buch unter.‹
    ›Hm.‹
    Jovinda und Evchen schauten sich sehr lange in die Augen.
    ›Geht nicht‹, brummte Jovinda. ›Zaubersprüche in ein Sprechendes Buch zu packen ist verboten. Strengstens verboten.‹
    Evchen starrte sie weiter an.
    ›Hm‹, sagte Jovinda wieder. ›Evchen meint, wenn alles so geht, wie wir wollen, taucht das Sprechende Buch nie wieder auf. Und wenn nicht alles so geht, wie wir wollen, dann haben wir einen Haufen Probleme am Hals, von denen ein Sprechendes Buch mit Zaubersprüchen das geringste ist.‹
    Damit war die Entscheidung gefallen. Evchen und Jovinda verfeinerten den Fluch, fügten ein paar Wörter hinzu, ›Blut‹ zum Beispiel, damit er mehr nach Clarisse und ihren besonderen Zuchtmethoden klang. Dann kam der schwierige Teil: Das Sprechende Buch musste außer dem Fluch wenigstens ein paar wirksame Segenssprüche enthalten, damit Clarisse ihm auf den Leim ging. Hierzu verwoben Evchen und Jovinda alle möglichen einfachen Segenssprüche aus der Rosengärtnerei erneut mit unseren Gefühlen. Doch diesmal sollten es gute Gefühle sein, gute Gefühle für das Rosenhaus. Das war nicht leicht, es gab nicht wirklich viele davon. Robert hatte überhaupt keine und ich hatte nur zwei zu bieten: das Aufblitzen wilder Hoffnung, als ich Evchen in den Feldern erspähte, und diese widersprüchliche Bewunderung, die ich ganz gegen meinen Willen empfand, wenn ich vom Turm aus über das prachtvolle Anwesen schaute. Das war alles, was wir hatten, es musste genügen.
    Evchen pirschte sich nachts auf Clarisses verdorbene Felder und probierte die Sprüche dort aus, ein gefährliches Unternehmen. Clarisse war misstrauisch und wachsam, doch Evchen war schlau. Alles ging gut und sie kam heil zurück.
    Kurze Zeit darauf hörten wir Neuigkeiten. Die Hexe Clarisse, hieß es, die mit ihren Rosen so viel Pech gehabt hatte, sei endlich wieder auf Erfolgskurs. Ein paar ihrer Rosen zeigten Knospen. Jeder war eingeladen, sich mit eigenen Augen zu überzeugen. Unser Nachbar, ein zauseliger, alter Magier, war der Einladung gefolgt.
    ›Glaube nicht, dass daraus was wird‹, sagte er, als er abends mit Jovinda beim Tee saß. ›Nur sehr wenige Rosen blühen. Vielleicht fünf von tausend. Aber die alte Clarisse ist ganz aus dem Häuschen, vor allem, weil ihre schönste wieder blüht, eine, die sie Graviata nennt.‹
    ›Hast du dir ausgerechnet die Graviata aussuchen müssen?‹, schimpfte Clarisse mit Evchen, als
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